Wir kaufen spontan Tickets und schiffen uns heute schon ein
unsere Fähre Finlandia
Irgendwie reisst uns Helsinki nicht vom Sockel, auch bekommen wir Tipps, dass wir die Zeit besser in Tallinn nutzen wie noch in Finnland. Also packen wir zusammen und suchen noch die Waschanlage von gestern. Wir können mit so einem schmutzigen Womo unmöglich auf die Fähre, das muss jetzt heute noch gewaschen werden.
In Finnland gibt es haufenweise Waschstrassen, aber dort passt unser Womo nicht durch und solche Self-Wasch-Boxen sind die Ausahmen, da sie ja nur das halbe Jahr benützt werden können, den die andere Hälfte friert das Waschwasser auf dem Auto ja ein.
Also fahren wir die drei Kilometer zurück und versuchen unser Glück nochmals. Und richtig, heute klappt es am anderen Automaten und wir können unser Knutschi waschen. Zuerst einseifen, dann abspritzen, mit der Waschbürste behandeln, nochmals abspritzen. Dann müssen wir unser Knutschi noch rückwärts einparkieren, da diese Box nur für PW gedacht ist. Nun reichen die Düsen dann auch noch für die Rückwand.
Wir haben danach das Gefühl, unser Wohnmobil war noch nie so sauber wie jetzt. Später merken wir aber, dass überall noch Dreck kleben blieb, aber nicht so schlimm, wenigsten bekommt man keine dreckigen Hände mehr, wenn man eine Tür öffnet.
Danach geht es weiter zu einem der drei Fährverladestationen. Im Internet fand ich gestern, dass die Eckerö-Line nur etwa halb so viel kostet wie die anderen Gesellschaften, also wollen wir es zuerst bei dieser versuchen. Ich finde zwar nicht heraus, wo genau diese Gesellschaft loslegt, aber normalerweise sind die günstigen Gesellschaften immer am Pier, das am weitesten weg liegt. Also versuchen wir es dort. Angeschrieben am Hafen ist es gross mit Port of Helsinki, Gebäude T2 auf der Google Karte bei Jätkäsaari Busholmen. Dadurch müssen wir quer durch die ganze Innenstadt, was aber kein Problem darstellt. Am Terminal auf einen Parkplatz fahren und dann ins Empfangsgebäude T2, dort sehen wir auch grad einen Schalter der Eckerö-Line. Hingehen, fragen, buchen, bezahlen. 130€ für zwei Personen und unser Knutschi ist jetzt wirklich ein moderater Preis, die Fähre legt um 15:15 ab, also perfekt für uns. Wir bekommen dann noch einen Plan mit, wo wir wann genau sein sollen für das Einchecken und auf die Fähre fahren. Natürlich sind wir viel zu früh dort und wie immer, wenn wir Fähre fahren, wir dürfen dieses Mal nicht mit den letzten, sondern als allerletztes drauf!
hinter Helmi als letzte auf das Schiff
Als zweitletztes Fahrzeug ein Uraltwomo (1974) aus Finnland mit sechs alten, knorzigen Finnen, die uns bei der Warterei total zuquatschen und uns ihre gesamte Story von ihrer Helmi erzählen. Sie fahren jetzt nach Minsk, denn die alten Russischen Länder seien noch ein Abenteuer, Mitteleuropa viel zu langweilig.
Als wir dann aus unserem Womo aussteigen, ist die Fähre schon unterwegs, die grossen Tore wurde verschlossen, als wir die Handbremse noch nicht angezogen haben.
Das Schiff, die Finlandia, ist bis jetzt wohl die beste Fähre, die wir je hatten. Ziemlich modern, gute Restaurants, viele Sitzgelegenheiten, und sogar an zwei Orten in den Bars Live-Musik. Und die erste Fähre mit gratis WLan, aber wir haben nur unsere Handys mit fast leeren Akkus dabei... Die Eckerö-Line setzt auf dieser Strecke nur dieses Schiff ein, aus diesem Grund gibt es auch nur drei tägliche Verbindungen: Morgens, Nachmittags und Abends.
Nach zwei Stunden Fahrt treffen wir ohne Probleme pünktlich in Tallinn ein, fahren dort grad auf den Hafenparkplatz für 6€ 24/h und dieser Platz ist sogar Videoüberwacht. Perfekt für uns.
einbruchsicher mit den normalen Gurten
Wir machen unser Knutschi mit den Gurten Einbruchssicher (sorry, aber Hafenparkplatz und in einem neuen, fremden Land...) und ziehen zu Fuss sofort los in die nahe Altstadt. Um es ganz kurz zu machen: wir sind begeistert und freuen uns, morgen mehr Zeit zu haben, diese herrliche Altstadt zu erkunden und gute Fotos zu schiessen. Was wir heute Abend schon gesehen haben, war der Hammer und die Pizza, die wir auch noch verschlungen haben, war wirklich, wirklich lecker.
Aber zu Tallinn dann morgen mehr, wer nicht warten kann, hat hier schon mal einen Link.
Tallinn gefällt uns sehr gut aber vorher merken wir, dass unser Knutschi doch mehr gelitten hat.
Alexander-Newski-Kathedrale
Die Nacht auf dem Parkplatz am Hafen ist erstaunlich ruhig. Allerdings merken wir, dass wir in den letzten Tagen unseren Urintank nicht geleert haben und er nun ziemlich voll ist. Noch einen Tag damit halten wir nicht durch. Aber wo leeren mitten in der Stadt? In einer Papiertüte zum nächsten öffentlichen WC (700m) tragen?
Auch haben wir es nun mit dem Strom relativ knapp. Wir waren nicht gerade sparsan die letzten Tage und gefahren sind wir auch nicht. Wenn nicht endlich die Sonne hervorkommt, wird es ganz knapp, damit es bis morgen reicht.
All das zusammen führt zu der Überlegung, ob wir nicht besser zum etwa 5km entfernten Stellplatz am Yachthafen fahren sollen, dort Ent- und Versorgen und unser Knutschi an den Strom hängen und aufladen. Da wir auch schon im roten Diesel-Bereich von der Fähre fuhren, könnten wir auch grad noch tanken.
Also fahren wir Vormittags los in das Gelände der Segelwettbewerbe der Olympischen Spiele von 1980. Entgegen der offiziellen Info hat der Stellplatz tatsächlich offen und nicht erst ab dem 1. Mai. Wir bezahlen 20€ für eine Nacht, schliessen unser Knutschi an den Strom an und leeren unseren Urintank. Den Feststoffbehälter haben wir bisher immer noch nie geleert, muss aber in den nächsten Tagen nach insgesamt rund 5 Wochen dann schon mal sein. Aber noch nicht heute.
Danach krieche ich unters Auto und befehle Anita, sie solle mal Wasser laufen lassen. Unser Ablassventil ist nämlich undicht, denn sobald wir Wasser laufen lassen, tropft es unter dem Wohnmobil raus und auf einem öffentlichen und asphaltierten Parkplatz nicht gerade prickelnd.
Was ich danach aber sehe, ist noch viel weniger prickelnd, die Abwasserleitung in den Abwassertank ist geplatzt und das Rohr hat sich vom Abwassertank gelöst. Entweder zu kalt und eingefroren, dass es geplatzt ist oder es wurde bei unserem Schneeabenteuer auf und abgerissen. Klar ist, dass wir das hier und jetzt nicht reparieren können und mit dem Wasserverlieren momentan leben müssen. Beheben wir, wenn wir zu Hause sind und achten nun einfach drauf, wo wir dann Wasser laufen lassen. Wir bemerken auch noch, dass das Schneeabenteuer doch noch eine Delle in unseren Kotflügel hinterlassen hat. Na ja, Kampfspuren gehören ja zu einem interessanten Gefährt dazu.
Anfangs Nachmittag nach einer gründlichen Körperpflege, füllen des Wassertankes und den Batterien, machen wir uns wieder auf den Weg zum Hafenparkplatz und erkunden dann die Stadt zu Fuss.
Die Stadtmauer mit einigen Türmen
Wir sind begeistert von der Altstadt. Die Stadtmauer ist auf 2km noch gut erhalten und die Türme sehen so Bilderbuchmässig aus, wie man sich die nur vorstellen kann. Hätte ich als Kind eine Stadtmauer zeichnen müssen, sie sähe genaue so aus wie die in Tallinn! Und nicht nur dass, die Stadt wirkt herausgeputzt, die alten Häuser alle renoviert und der Marktplatz in der Mitte einfach herrlich. Das Prunkstück ist aber die Alexander-Newski-Kathedrale, ein orientalisch anmutendes Gebäude mit Zwiebeltürmen auf dem Domberg und Estlands Hauptkathedrale des russisch-orthodoxen Glaubens. Sie sieht wirklich wunderprächtig aus.
Die Eintrittspreise für die Besichtigung der Stadttürme sind wirklich niedrig, dafür sind die Preise für Essen und Getränke happig. Trotzdem assen wir aber im Zentrum auch heute zu Abend und wieder hervorragend. Dieses Mal probierten wir estnische Gerichte mit Fleisch und Kartoffelstock. Kochen können sie, die Esten.
der Platz im Zentrum der Altstadt
Wir wurden von dieser Stadt richtig Fan. Die Stadt hat einen Auftritt bei den 100 schönsten Orte mit dem Wohnmobil redlich verdient
Auch wenn man etwas ausserhalb ist, gibt es so alte, russische Denkmäler genau im sowjetischen Stil, wie man es sich vorstellt: gerade, schnörkellos und aus Beton.
Wir hätten übrigens noch einen perfekten Freistehplatz 3km ausserhalb der Altstadt erspäht, direkt am Meer, leer und viel Platz, auf einer asphaltierten Fläche (59.462457, 24.818493) Vielleicht fahren wir ja noch hin.
Ach ja, mein Rücken ist zu 99% wieder gut
Es gibt sie doch noch, die Perlen von einer vergangenen Zeit.
alte und grosse Loks
Vormittags können wir es gemütlich nehmen, wir haben kein Programm. Aber um 13 Uhr treffen wir einen alten Teamkollegen von mir. Ich bin mit Jann Kirsipuu verabredet, einer der grössten und besten Radrennfahrer meiner Zeit. Er feierte über 120 Siege und doch kennt ihn fast keiner. Warum? Weil er zur ganz seltenen Spezies der Radprofis der 90 Jahre gehört, die nie gedopt haben. So reichte es ihm fast nur zu Siegen in kleineren Rennen, bei den grossen war er jeweils chancenlos, obwohl, er gewann auch Etappen an der Tour de France. Auf dieses Wiedertreffen nach 20 Jahren freute ich mich auf dieser Reise ganz besonders. Wir quatschten auf französisch von vergangenen Zeiten, auch gab er mir noch Tipps für Tallinn und den Rest von Estland.
Die Verabschiedung viel uns schwer und Anita und ich machten uns dann auf den Weg nach Haapsalu. Dort soll es nach Jann einen alten Bahnhof geben, der nach dem Zerfall der UDSSR stillgelegt und dort ein paar Looks vergessen wurden. Also genau das richtige für uns.
Wir haben nur 100km über gute Strassen zu fahren und treffen dann um 16 Uhr bei diesem Bahnhof ein. Es ist wahrlich ein Bild aus vergangenen Zeiten! Der Bahnhof sieht so aus wie zur Zeit, als dies noch zu Russland gehörte. Das Gebäude ist ziemlich gepflegt mit einem Bahnmuseum drin. Aber es hat schon geschlossen oder öffnet nur Freitags bis Sonntags, so genau verstehen wir die Schilder auf Estnisch und Russisch nicht.
aber in einem jämmerlichen Zustand
Aber die alten riesigen und grossen Dampflokomotiven sehen einfach super aus. Und dann hat es auch noch alte Dieselloks mit Güter- und Personenwagen, alles verrostet und vergammelt. Eisenbahnfreunde würden da wahrscheinlich alle Finger lecken, wenn man diese Lokomotiven restaurieren könnte.
Der Bahnhof hatte bei seinem Bau 1907 den längsten überdachten Bahnsteig Europas, aber 1995 wurde unter Protesten der Bevölkerung die Linie für den Personenverkehr geschlossen und 2004 demontiert. Die da noch stehenden Loks und Züge kommen nun nicht mehr weg und sind bis in alle Ewigkeit an diesen Bahnhof gebunden. Das ehemalige Bahntrasse ist nun ein 50km langer Veloweg.
verrostete und irgendwie doch schöne Wagen
Wir können uns fast nicht sattsehen von diesem nostalgischen Ort. Danach fahren wir nur gerade zwei Kilometer weiter und sind auf einem fantastischen Parkplatz auf einer Landzunge zwischen dem Meer. Wir lieben Estland! Viele leere Parkplätze, ein fast leeres Land mit viel Platz zum Übernachten und strahlend blauem Himmel. Die Sonne wird genau vor unserem Knutschi im Wasser versinken und das gibt sicher noch ein paar gute Fotos heute Abend.
1907 der längste überdachte Perron von Europa
Ach ja, hier hätte es diesen Winter übrigens eine Strasse über das Eis zu den vorgelagerten Inseln gegeben. Das wäre ein Ding gewesen, mit unserem Knutschi auf dem Eis über das Meer zu einer Insel zu fahren. Aber jetzt ist ja alles getaut…
Mit dem Womo ist Estland super, wir staunen nur immer wieder
Der Vogelnestturm
Gestern Abend gesellten sich noch andere Womofahrer zu uns
auf diesen schönen Parkplatz, insgesamt übernachteten hier dann schlussendlich
vier Womos. Es muss also ein ganz heisser Hot-Spot sein hier.
Wir erwachen relativ früh, packen unsere sieben Sachen zusammen und fahren genau 1,4km weit ins Dorfinnere Richtung Haapsalu zur Bischofsburg. Eine gut restaurierte Ruine einer imposanten Festung inklusive Kathedrale. Man hat viel Platz, die Mauern der Burg umschliessen ein ziemlich grosses Gebiet, ca. 200 x 200m und im Inneren hat es grosse Bäume, die Festungsanlage die zum Teil grad noch renoviert wird und viel Grün. Uns gefällt es auch hier sehr gut, aber ich will weiter.
Ich will endlich nach Tartu, der zweitgrössten Stadt Estlands. Dort auf dem Friedhof ist ein Freund von mir begraben, der während dem Training von einem alkoholisierten LKW-Lenker über den Haufen gefahren wurde. Ich habe sein Grab noch nie in echt gesehen und das lasse ich mir nun nicht entgehen. Ich weiss auf welchem Friedhof und ungefähr die Lage und das Aussehen des Grabes.
Der Friedhof ist riesig, aber echt stilvoll. Es scheint nicht alles so peinlichst geregelt zu sein, wie bei uns in der Schweiz. Alt und Jung , grosse und kleine Grabsteine, Familiengräber und solche von unbekannten Soldaten, alles durcheinander in einem Wald. Nach einem Weilchen Suchen und mit Hilfe von alten Fotos wo eine Kapelle im Hintergrund stand, finden wir das schöne Grab und halten ein paar Momente inne. Warum erwischt es immer genau die lieben, tollen Menschen so früh?
Eindruck macht mir auch, dass auf seinem Grabstein schon
Platz reserviert wurde für die Namen seiner Kinder und seiner Frau. Das muss
ich zuerst mal verdauen und ich merke, dass ich ziemlich selten auf Friedhöfen
bin und gar keine Ahnung habe, was da so üblich ist.
Mit etwas gedrückter Stimmung fahren wir noch etwas weiter Richtung Süden. Die Landschaft ist ziemlich flach, sumpfiges Land, viele Wälder. Wir sehen Rehe und viele Störche, die in ihren Nestern hoch oben Junge füttern. Irgendwie auch eindrücklich und wir sehen auch Warnschilder von Elchen, aber keiner in lebendiger Form.
eines der vielen Storchennester
Schon früh kommen wir in Rôuge an, dort soll es seit 2016 in
einem Erholungsgebiet ein 30m Aussichtsturm geben, der die Form von
Vogelnestern hat. Wir finden die Stelle problemlos und sind schon von weitem
schon wieder begeistert.
Auf der gesamte Anlage gibt es Blockhütten, Feuerstellen und beim Parkplatz sogar ein Infohaus, das aber erst ab Mai öffnet. Und wie in Estland üblich, auch öffentliches WLan. Estland ist in Sachen Internet der Vorreiter in Europa, per Gesetz muss da jeder Bürger Zugang zu gratis Internet haben und darum gibt es fast überall freie WLans. Wenn das nur überall in Europa so wäre.
Aber in den Bann zieht uns natürlich der Vogelnest-Turm! Er
ist riesig und echt cool gemacht, so einen Turm habe ich wirklich noch nie
gesehen! Selbstverständlich steigen wir sofort hoch in ein Nest und merken,
dass er im Wind ganz oben ziemlich fest schwankt! Ein mulmiges Gefühl, die Aussicht
auf unser Knutschi ist aber fantastisch. Wir spazieren herum, geniessen wieder
den sonnigen Tag und dann hat Anita die Idee: Komm, wir leeren nun mal unser
WC, wir haben ja Zeit!
Wir sind nun etwas mehr als einen Monat unterwegs, waren vor
dieser Reise schon vier Tage im Engadin und haben den Feststoffbehälter unserer
Trenntoilette noch nie geleert. Wenn das kein Luxusleben ist, sich nicht dauernd
überlegen zu müssen, wo leere ich nun die Toilettenkassette?
Ich mach‘s jetzt kurz und über unsere erste Leerung gibt es
dann einen Blogeintrag, wenn wir zu Hause sind. Aber jetzt nach 36 Tagen
gebrauch riecht der Inhalt des Feststoffbehälters überhaupt nicht! Er ist nicht
wirklich kompostiert, aber viel sieht man nun wirklich nicht mehr. Es ist
einfach genial! Und es gibt etwa so viel Inhalt wie einen Wassereimer, nur
trocken und nicht riechend. Wir leeren ihn in einen festen Abfallsack von zu
Hause und schmeissen ihn gut verschlossen in einen Kehrichtcontainer. Das ging
ja wirklich easy.
Heute Abend mache ich dann noch ein paar Nachtfotos vom Vogelnestturm…
Webseite der hiesigen Gemeinde mit vielen Infos
Erste Erfahrungen mit der Trenntoilette
Wir sind nun in Lettland und die Sehenswürdigkeiten nehmen etwas ab. Dafür nehmen unsere Defekte zu, nun läuft das Wasser nicht mehr ab.
Vor dem geschlossenen Schloss Rundale
Letzte Nacht fotografierten wir nochmals den Aussichtsturm mit den Vogelnestplattformen, danach brechen wir auf Richtung Lettland. Den Grenzübertritt verpassen wir beinahe, es ist einzig und alleine ein EU-Schild mit der Aufschrift Lettland sichtbar. Kein Zollhaus, rein gar nichts. Was wir aber spüren, die Strassen werden rumpeliger und die Ortschaften und Weiler sind nicht mehr so herausgeputzt, alles etwas älter, etwas zerfallener und etwas urchiger. Wir vermuten, die Letten sind Spezialisten im Reparieren. Die Strassen haben tausende von Reparaturstellen, sehr selten mal ein ungeflicktes Stück Asphalt. Und die Hauptstrasse Richtung Riga, notabene die grösste Strasse in Lettland, hat Fahrrillen, wo ich Angst habe, ich fahre mein Abwasserrohr weg, so tief versinken die Pneus in den Asphaltspuren.
Auch war es nicht ganz einfach, Sehenswürdigkeiten zu finden, die uns interessieren und gute Fotos hergeben, lässt man mal die Hauptstadt Riga weg. Wir wollen nicht schon wieder eine Stadt besichtigen und brauchen sowieso mal einen Grund, hierher zurück zu kommen.
Also machen wir einen Abstecher zur Burg Turaida, es soll in ganzes Gelände mit Kunstwerken und alten Gebäuden haben. Wir finden alles, schiessen ein paar Fotos der Burg, besichtigen den Turm und das Museum, aber so ganz in den Bann ziehen kann es uns nicht. Aber man muss zu Gute halten, vieles ist auch in Deutsch beschriftet und der Eintrittspreis für alles kostet mickrige 3€ / Person.
Wir fahren weiter und es wird immer grüner. Das ist ein Vorteil, wenn man im Frühling vom Norden gegen den Süden fährt, wir haben das Gefühl, wir fahren dem Frühling frontal entgegen und es geht wahnsinnig schnell. Morgens noch eine Vegetation im Winterschlaf, Mittags schon Knospen an den Bäumen und Abends saftig grüne Wiesen und die ersten Bäume haben auch schon junge Blätter. Dazu blauer Himmel mit weissen Wolken, die Fotos werden schon mal schön farbig, der Tag also fast gerettet.
Plötzlich sieht Anita etwas entfernt von der Strasse eine kleine Stadt aus kleinen Holzhäuschen. Blinker einschalten, raus auf die Naturstrasse schwenken und die 100m bis zu einem kleinen Parkplatz fahren. Wir steigen verwundert aus und schlendern zum grossen Eingansgatter. Da hat es ein Schild mit einer Familie drauf 9€, ein Mann 3€ eine Frau 3.50€. Wir werden nicht ganz schlau daraus, die Verwirrung ist noch grösser als wir unten lesen: visit for free. Weit und breit kein Mensch zu sehen also treten wir einfach mal ein. Erst jetzt merken wir, dass diese herzigen Häuschen und auch die zwei grösseren Kirchen Kaninchenställe sind, alle bewohnt von den Einwohnern dieser Stadt. Es ist sehr herzig gemacht, sogar ein kleiner See und ein Picknickplatz gibt es, wo sich Enten und Gänse tummeln. Wir sind begeistert und froh, gibt es solche spontane Orte, die in keinem Reiseführer verzeichnet sind.
Danach geht es weiter Richtung Rundale Pils (Pils ist kein Bier, das heisst Schloss auf Lettisch). Unterwegs gibt es eine kleine Umleitung und just auf dieser Umleitung sehen wir ein weiteres Schloss. Also wieder abzweigen, parkieren, Fotoapparate holen und losmarschieren. Pils Krog sieht von Aussen toll aus, eine Innenbesichtigung ist aber wegen zu nicht möglich. Wir sind anscheinend zu spät dran. Irgendwie schliessen hier die Sehenswürdigkeiten recht früh, vor allem jetzt ausserhalb der Saison.
Also geht es weiter bis wir kurz darauf beim Schloss Rundale ankommen. Es ist das Verseille des Osten und sieht fast auch so aus. Es ist von Aussen wunderschön und eine Innenbesichtigung ist auch hier wieder nicht möglich, es schliesst um 17 Uhr und wir sind um 17:05 Uhr hier. Macht irgendwie nix, wir haben auch morgen noch Zeit.
Es soll hier aber irgendwo einen Stellplatz für Wohnmobile haben, finden tun wir aber nichts ausser einem Hinweisschild mit einer Telefonnummer drauf. Die gleiche Telefonnummer sehen wir dann aber grad beim Restaurant „Balta Maya“ neben dem Schloss und da wir heute sowieso mal noch essen gehen wollten, steuern wir direkt hinein und fragen nach dem Stellplatz. „Ob wir Strom brauchen“ werden wir gefragt, „Nein“ unsere Antwort, „und die Toilette“ auch wieder nein. Die Serviertochter schaut uns ungläubig an und kann es irgendwie nicht glauben. Also wenn wir kein Strom und keine Toilette brauchen, können wir grad auf dem Parkplatz hier übernachten, dann öffne sie den Stellplatz nicht extra. „Ob wir was essen könnten?“ ist dann unsere Frage: „Sorry, nur bis 18 Uhr“ und wir haben jetzt 17:50 Uhr. Also wieder nichts und da uns der zugewiesene Parkplatz nicht wirklich gefällt, bleiben wir auf unserem Schlossparkplatz stehen und richten uns dort ein. Übrigens auch das einzig andere Restaurant in der Nähe hat geschlossen, so dass Anita wieder kochen darf.
Tja, und jetzt läuft unser Abwaschwasser nicht mehr aus dem Trog. Einfach nichts! Auch mit pusten und drücken bleibt das Wasser im Trog. Und was noch viel mysteriösere ist, unser Abwassertank ist wieder halbvoll Wasser! Von wo kommt denn das nun wieder her? Die Abwasserleitung ist seit dem Schneeabenteuer ja gar nicht mehr mit dem Abwassertank verbunden? Haben die Dusche und der Waschtrog verschiedene Zuläufe in den Grauwassertank? Weiss das jemand? Wenn ja, würde das heissen, dass nur die Leitung des Küchenwaschtroges nicht mehr in den Grauwassertank läuft. Aber da sie nun gar nicht mehr läuft, wo bliebt dann da die Verstopfung? Aber heute ist es zu spät, wir schauen morgen weiter.
Die Strassen in Lettland sind holprig, sehr holprig, also schauen wir, dass wir nach Litauen kommen.
wir überlegen uns eine Luftfederung
Lettland mag uns nicht so richtig begeistern, auch weil die Strassen holprig sind, sehr holprig. Lieber flicken wie neu asphaltieren. Das dürfen sie natürlich, die Letten, und wir als Ausländer sind die letzten, die da reklamieren können. Aber die Fahrrillen sind heute noch viel, viel schlimmer wie gestern. Und wenn dann noch das Verkehrsschild „Achtung Bodenunebenheit“ kommt, heisst es auf die Bremse stehen. Entweder kommt dann so ein richtiger Kamelbuckel oder die Strasse ist so holprig, dass wir statt den erlaubten 90km/h gerade mal 50km/h fahren können. Unser Knutschi ächzt und stöhnt und wir überlegen uns nun echt, 16-Zoll-Räder zu kaufen und Luftfederung zu montieren. 5km vor der Grenze zu Litauen geht die geflickte Asphalt-Strasse dann endgültig in Naturstrasse über und es holpert genau gleich weiter, jetzt ziehen wir zusätzlich einfach noch eine riesige Staubfahne hinter uns her.
Dann erscheint das Schild „Lietuvos Respublika“ und genau auf den Meter ab diesem Schild ist die Strasse wieder schön asphaltiert und picobello. Schon nach wenigen Kilometern Fahrt auf Litauischen Boden müssen wir einfach zum Schluss kommen, dass es Estland und Litauen viel besser geht wie Lettland. Warum ist das wohl so? Alle drei traten zum gleichen Zeitpunkt in die EU, erhalten von dort wahrscheinlich in etwa gleich viel Geld und haben historisch auch ähnliches durchlebt. Den Unterschied finden wir aber frappant.
Erster See in Litauen: wer hat den Stöpsel gezogen?
Egal, wir geniessen nun Litauen, tanken sehr günstigen Diesel (1.11€), bewundern die toll gemachten Rastplätze und sehen wieder sehr viele Storchennester mit Störchen bei den Bauernhöfen und am Strassenrand.
Irgendwann kommen wir in die Stadt Klaipeda, sie ist erstaunlich gross und wir müssen dort die Fährverbindung auf die Halbinsel der Kurischen Nehrung finden. Dank Navi geht es dann doch ziemlich einfach, wir bezahlen 30€ Fährpreis für die 200m Fährfahrt und sind danach auf dieser Halbinsel. Die gesamte Halbinsel ist schmal (wenige 100m) aber richtig lang, etwa 80km. In der Mitte kommt aber die russische Grenze und da wir kein Visum haben, bleiben uns 47km auf dieser Halbinsel. Die Halbinsel ist ein Naturreservat und mit dem Wohnmobil darf man ganz genau an einem einzigen Ort übernachten: auf dem einzigen Campingplatz der gesamten Halbinsel 2km vor der russischen Grenze.
Wir erreichen den Campingplatz problemlos, die Schranke ist aber geschlossen und niemand in Sicht. Also telefonieren wir der angegebenen Nummer und eine freundlicher Herr nimmt ab und erklärt uns alles telefonisch was wo ist. Er komme erst morgen vorbei und er schaue nun, dass jemand die Schranke öffnet. Keine 30 Sekunden später öffnet wie von Geisterhand diese Schranke und wir können auf den Platz fahren.
Zuerst krieche ich mal unter unser Knutschi, wir haben momentan eine ziemlich lange Liste von Verbesserungsvorschlägen und Optimierungen, die wir angehen wollen. Aber zuerst müssen wir mal herausfinden, warum das Wasser vom Küchentrog nicht abfliesst und wenn es abfliesst kommt es nicht im Grauwassertank an, sondern rinnt schon vorher in die Freiheit. Das Abwasserrohr ist nicht mehr mit dem Abwassertank verbunden und es sieht irgendwie aus, als ob es eingegangen oder geschmolzen wäre. Ich habe ja vor ein paar Jahren eine extra Duschablaufheizung installiert wegen dem eingefrieren des Duschablaufs. Ich glaube, ging irgend etwas schief und es wurde so warm, dass das Roh schmolz. Das würde auch unseren unerklärlichen Stromverlust vor ein paar Tagen erklären. Und das allerbeste, der beheizte Duschabluss ist in Wirklichkeit der Küchenabfluss. Ich Depp habe auch noch das falsche Rohr isoliert und beheizt!! Hoffentlich hat niemand meinen Blog als Vorlage für das Nachbauen benützt. Da komme ich nun schön flach raus!
Aber wie weiter? Das Rohrwinkelstück und das Anschlussstück an den Grauwassertank muss neu gemacht werden. Aber selber kann ich es nicht, ich kann ja nicht unter dem Womo liegend dort alles ersetzen, ich muss also irgendwo eine Hebebühne haben. Oder weiss jemand in Polen eine gute Womowerkstatt? Dann könnten wir es dort beheben lassen. Aber wenn ich in so eine Werkstatt telefoniere und ihnen genau erkläre, was für ein Stück ich brauche, fehlt anderntags ein Carado-Wohnmobil in Deutschland, oder mindestens das gleiche Rohrstück…. (sorry, das musste jetzt sein, ist aber als Scherz zu verstehen)
Auf dem Campingplatz ist noch ein anderes uralt-Womo oder Expeditionsfahrzeug eines Deutschen auf dem Platz, und sonst sind wir alleine. Selbstverständlich tauschen wir da noch Erfahrungen aus und wir werden gewarnt, dass die Nebenstrassen in Polen auch nicht besser seien. Er fahre morgen nach Russland weiter, denn heute müsse er noch warten, sein Visum sei erst ab morgen gültig. Mischt, warum haben wir kein Visum für Russland beantragt?
Etwas später findet Anita auf dem Campingplatz noch einen Grill, wir sammeln Holz zusammen, machen ein Feuer und braten noch unsere Pouletschenkel schön knusprig. Wir stinken zwar jetzt richtig nach Rauch, auch unser Knutschi, aber das stört ja niemand hier.
Wir besuchen heute grad die zwei bekanntesten Sehenswürdigkeiten Litauens und sind begeistert
Kurische Nehrung entlang der Hauptstrasse
Wir erwachen auf dem ruhigen Campingplatz und wissen nicht so recht, was wir weiter machen sollen. Eigentlich wollten wir noch einen Tag hier bleiben und die Kurischen Nehrung unsicher machen. Aber wir sind vom Campingplatz etwas enttäuscht, weder warmes Wasser gibt es noch funktionierendes WLan und wegen den vielen Bäumen haben wir auch kein Internet über Sat. Von der gesamten Infrastruktur brauchen wir nix, vom Betreiber fehlt auch weit und breit jede Spur. Und wenn wir mit dem Womo den Platz verlassen wollen, müssen wir den Betreiber per Telefon anrufen, damit er die Schranke öffnet. Also rufen wir ihn an, werfen 23 € in den Briefkasten und fahren los.
der etwas verlassene Campingplatz
Wir fahren in die falsche Richtung und stehen 2km später plötzlich vor der russischen Grenze. Mist, falsche Richtung und schade, dass wir kein Visum für Russland haben, denn sonst könnten wir Kalingrad besichtigen und diese Abkürzung nach Polen nehmen. Aber da wir eben dieses Visum nicht haben, müssen wir umdrehen und die ganze Halbinsel oder 45km zurück fahren. Es gibt auf der schmalen Halbinsel nur gerade diese eine Strasse aber der Wald links und rechts ist einmalig. Einmal alles schräge Baumstämme, dann steht der ganze Wald wieder unter Wasser, dann mit Sicht auf die Dünen. Einfach fantastisch. Nur einen Kaffee oder sonst was kriegen wir nirgends, Montag ausserhalb der Saison alles zu, alles verlassen, genau gleich wie der Camping.
So kommen wir schnell beim Fähranleger an, können sofort auf die Fähre und die 200m zurück auf das Festland fahren. Und dann browsen wir los, meistens Autobahn Richtung Südosten. Wir kommen gut voran, fahren heute insgesamt 300km und erreichen unser Ziel Trakai problemlos. Das heisst, etwa 2km vor dem Städtchen müssen wir sofort auf einen Parkplatz fahren, denn wir sehen das Wasserschloss mitten Im See schon von weitem. Erste Fotos werden geschossen, vielleicht hat man ja nachher keine so gute Sicht mehr.
Danach fahren wir die restlichen 2km in das kleine Städtchen weiter und parken auf den vielen Parkplätzen. Auch hier ist wenig los, wahrscheinlich der krasse Gegensatz während der Saison.
Aber das Schloss ist von Aussen wunderschön, bilderbuchhaft und mit der Sonne Abends auch genau richtig beleuchtet. Wow, dieser Anblick hat es einstimmig auf die Webseite der 100 schönsten Orte mit dem Wohnmobil verdient (erfassen werde ich ihn aber erst, wenn wir zu Hause sind…).
Schloss Trakai, (Langzeitaufnahme 15 sec, nicht bearbeitet)
Wir spazieren umher, wollen irgendwo etwas feines Abend essen, aber finden nur gerade zwei Restaurants, die geöffnet haben. Immerhin. Zuerst parken wir aber unser Womo noch um, wir haben eingangs Dorf grad ein schöner Parkplatz gefunden, mit gratis und schnellem WiFi und Sicht auf’s Schloss. Alle Parkplätze im ganzen Dorf sind gleich teuer und mit dem gleichen System: Am Parkautomat 3 € einwerfen, Autonummer eintippen, Quittung hinter die Windschutzscheibe legen und irgendeiner der zahlreichen Parkplätze benützen. Wir dürfen jetzt für die 3 € bis morgen früh 8:30 Uhr hier stehen bleiben.
Danach watscheln wir los und essen ein feines Beefsteak mit Pommes und belegter Artischocke mit direkter Sicht auf das Schloss. Das Personal ist sehr freundlich, der Preis mit 14€ für diese tolle Lage echt günstig. Wir könnten es nicht besser haben. Na gut, wir haben nur 15 Grad hier, zu Hause hatten sie heute 29…
Morgen geht es nach Polen weiter…
Im Land der Lastwagenfahrer und Alleen besuchen wir heute keine Attraktionen und erholen uns einfach nur
eine von vielen Alleen
Irgendwie sind wir nun etwas müde. Reisen ist anstrengend, auch wenn es wahnsinnig schön ist. Oder gerade deshalb? Wir haben nun jeden Tag mindestens irgendeine Attraktion, einen Foto-Hotspot oder sonst etwas Aufregendes besucht. Immer weiter, immer schöner, immer das gefühl, wir verpassen etwas. Damit ist heute nun Schluss.
Wir wollen einfach nur ein paar Kilometer machen, auf einem Campingplatz eine ruhige Kugel schieben und nicht überlegen, was wir alles verpassen könnten. Zudem machen wir nun den Schritt nach Polen, unserem Land Nummer 28, was wir mit dem Wohnmobil besuchen (nicht übernachtet aber besucht haben wir Liechtenstein, Belgien, Luxemburg, Monaco, San Marino und Bosnien Herzegowina).
Schon vor der Grenze zum Land der Lastwagen stehen wir in einem Lastwagenkonvoi. Vor uns hat es einen Unfall gegeben, die Strasse ist gesperrt. Wir warten ungefähr eine Stunde, bevor es dann wieder weitergeht. Mit dem Womo ist man da ja sehr gut bedient, wir haben einen Kühlschrank voll mit Getränken und Esswaren, dazu eine Toilette. Also nicht aufregen und seelenruhig warten, bis alles wieder frei ist. Und wir können ja Gott danken, dass wir bisher nie in einen Unfall verwickelt waren.
In Polen überschreiten wir dann wieder eine Zeitzone und haben nun auch endlich wieder die gleiche Zeit wie zu Hause. Die einte Stunde hat mir aber jeweils einen Vorsprung gebracht, beim veröffentlichen des Bloggs. Jetzt wird es dann wieder etwas später ;-)
Die Strassen werden nun etwas kurvenreicher, gesäumt von vielen alten Baumalleen und immer noch viele Storchennester entlang der Strassen. Störche sind anscheinend ziemlich gwunderige Tiere, denn wir sehen die Nester nur entlang der Strassen und dort, wo es Häuser hat. Nie irgendwo einsam auf einem Acker oder sonst in der Weite der Natur. Und in fast allen Nestern sehen wir auch die Jungtiere, die entweder gefüttert werden oder heisshungrig auf die Ankunft der Eltern warten. Immer ein schöner Anblick, der uns erfreut.
eines von vielen Storchennestern
Wir fahren einen Teil durch die Masuren, einfach wieder herrlich, wie viele Seen und Flüsse es hier hat. Schlussendlich kommen wir auf dem sehr grossen Campingplatz „Camp Park Sonata“ direkt an einem See an. Es stehen insgesamt zwei Wohnwagen und ein anderes Wohnmobil da. Und das erste Mal seit unserem Reisestart werden wir nun auf Deutsch begrüsst. Bis anhin mussten wir uns jeweils mit Englisch durchschlagen. Der Campingplatz eröffnete die Saison erst vor einer Woche und nun sei noch nicht alles bereit, meint der Chef. Wir sollen aber einfach an den See fahren und uns ein schönes Plätzchen aussuchen. Alles inklusive kostet der Platz gerade mal 14€ pro Nacht.
Wir richten es uns schön ein, Sicht auf den See und ins Grüne, machen natürlich ein paar Fotos und essen nun endlich die gestrigen gekauften schon gebackenen Pouletschenkel… Einfach mal nicht viel tun…
ein schöner von vielen Sonnenuntergängen
Für morgen hätte ich eben schon wieder eine Idee, die speziellen Schleusen des Oberlandkanal zu besichtigen. Es sind schiefe Ebenen, wo die Schiffe hinaufgezogen oder hinuntergelassen werden. Wäre doch mal was. Allerdings entfernen wir uns dann wieder etwas mehr von unserem Heim, das wir am 30. Erreichen sollten, momentan sind wir davon noch 1536km entfernt. Da liegt doch ein kleiner Umweg schon noch drin, oder?
Es plätschert auf das Dach und regnet in Strömen, ein guter Moment, auch noch einen tristen Ort zu besuchen.
unser heutiges Traumplätzchen mit blauem Himmel
Wir müssen erst gar nicht richtig erwachen, denn schon im Halbschlaf hören wir das Prasseln der Regentropfen auf das Womodach. Da nützt uns auch der schöne Platz am See nichts, Augen wieder schliessen, sich drehen und weiter dösen. Es ist der 38. Tag unserer Reise und das erste Mal, dass wir die Regentropfen auf dem Dach hören. Wir hatten bisher unglaubliches Wetterglück, und da macht es auch nichts, wenn es mal einen Tag regnet.
Irgendwann stehen wir dann aber doch auf, strecken den Kopf zur Tür hinaus und begutachten das Wetter. Grau in Grau, der Himmel in einer einfarbigen, hellen Suppe, keine Struktur, kein Kontrast. Der Regen ginge ja noch, aber bei diesem Himmel kann man gute Fotos vergessen. Hierbleiben, rumsitzen, erholen und nicht mal eine Möglichkeit haben, gute Fotos zu schiessen, der Horror. Bei so einem (Regen)Wetter kann es gute Fotos nur in einem Wald geben.
Und dann meint es das Schicksal, oder besser gesagt, Julia Schlüter besonders gut mit uns. „Kommt ihr an der Wolfsschanze vorbei?“ werden wir von ihr über Facebook gefragt. Wolfsschanze? Ist das hier in der Nähe? Kurze Zeit später wissen wir, dass dieses Führerhauptquartier von Adolf Hitler wirklich keine 20km von unserem Standort weg liegt. Wir wussten vorher nicht mal, dass das in Polen liegt aber zu diesem tristen Wetter passt dieses triste Ort ja hervorragend und im Wald liegt es auch noch (wegen den Fotos). Das ist eben der grosse Vorteil des Bloggschreibens, man bekommt immer und überall Tipps!
Der Entschluss ist dann schnell gefasst, wohin wir fahren werden. Auf schmalen Strassen durch Alleen und Wälder kommen wir kurze Zeit später dort an. Bezahlen Eintritt und parkieren unser Womo.
Irgendwie eine bizarre Stimmung, meterdicke Betonmauern, Bunker um Bunker, halb zerfallen, gesprengt und dann wiederum total vermoost mit Bäumen auf den Dächern. Die Natur holt sich ihr Gebiet zurück. Allerdings können wir das Ganze irgendwie nicht richtig einordnen, zum Teil Personal in Militärkleidung, dann eine Touristengruppe mit ihrem (Touristen-)Führer in schallendem Gelächter. Wir checken irgendwie nicht, ist das nun ein Mahnmal gegen den Krieg, ein Museum oder einfach eine Freizeitattraktion mit Grillstellen und Wohnmobilstellplatz? Wir als Schweizer haben ja keinen wirklichen Bezug zum Weltkrieg, ja wir haben nicht mal ein schlechtes Gewissen wegen Kriegen, schliesslich datiert der letzte Krieg auf Schweizer Boden von 1847 mit 150 Toten.
In etwas komischer Stimmung setzten wir im Regen dann unsere Fahrt fort. Wir passieren Baustellen um Baustellen, stehen im Stau fest und kommen irgendwie nicht vom Fleck. Das hebt die Stimmung nicht unbedingt, ich bin etwas angesäuert und nicht mal unser kleiner Eisbär, der die gesamte Reise mitmacht, kann mich etwas erheitern. Meine bessere Hälfte macht das Beste aus der Situation und schweigt.
da werden die Schiffe hochgezogen...
Aber dann kommen wir doch noch am Oberlandkanal an, an der Schleuse Buczyniec. Dort werden die Schiffe quasi auf einen Eisenbahnwagon verladen, 550m weit und 30m hoch gezogen und dann oben wieder ins Wasser gelassen. Sehr eindrücklich, wenn man das sehen könnte, wenn wirklich ein Schiff kommt. Die Anlage ist verlassen, die Saison beginnt erst in einer Woche. Schon wieder sind wir zu früh dran. Nicht zu früh sind wir aber für die Sonne, sie schaut tatsächlich zwischendurch durch die Wolkendecke und schon sieht alles ganz anders aus. Am Fusse der Schleuse gibt es einen schönen Stellplatz, auch er ist verlassen aber wir können trotzdem herrlich in der Natur stehen bleiben. Ringsum nur Vogelgezwitscher und schon werden die Fotos vor dem nächsten Regenschauer auch wieder gut…
... und hier wieder eingewassert
Morgen müssen wir tatsächlich Richtung Süden fahren, wer hat eine Idee, wo sich ein Stopp zwischen Danzig und Posen lohnt?
Eine wahnsinns Burg und eine tolle Besichtigung und plötzlich ist es schon ende Nachmittag
Marienburg
Wir hatten selten so einen romantischen Übernachtungsplatz wie heute und dennoch müssen wir weiter, denn sonst kommen wir nie nach Hause. Den kleinen Umweg über Rumpelstrassen und durch Baumalleen nach Mazurow (Marienburg) nehmen wir aber trotzdem in Kauf. Wir haben nur knapp 50km zu fahren und kommen darum ganz erholt an. Am anvisierten Parkplatz sollten wir 50 Zloti Münz in den Automat werfen. Soviel haben wir natürlich nicht dabei und die polnische Parkplatzwärterin, die keine einzige Silbe englisch spricht, will partout nicht, dass wir die Kreditkarte benützen. Warum ist und bleibt ein Rätsel. Sie will uns irgendwie nicht auf dem Parkplatz. Na dann, fahren wir halt weiter, im letzten Moment schwenke ich dann aber auf den sehr schönen Stellplatz grad hinter dem Parkplatz ab. Wir brauchen ihn eigentlich nicht, denn wir wollen ja weiter.
unterwegs in einer der vielen Alleen
Der Empfang da ist sehr freundlich und der Platzwart strahlt über beide Ohren. Er erklärt alles, wo was liegt und will dann pro Nacht für zwei Personen und Womo 50 Zlotis. Häh? Gleichviel wie auf dem Parkplatz ohne nix? Und hier ist es viel schöner, mit See und direkter Sicht auf die Burg, die sehen wir schon von hier aus. Da zahle ich natürlich gerne, auch wenn wir nicht bis morgen bleiben wollen. Also dieser Stellplatz ist wirklich zu empfehlen (54.045200, 19.025835).
Wir packen unsere Fotoapparate und marschieren sofort zur Burg los. Es sind keine fünf Minuten und wir machen die ersten tollen Fotos. Allerdings sind dann der Eingang und der Ticketverkauf genau auf der gegenüberliegenden Seite und so bekommen wir einen ersten Eindruck von der Grösse dieser Burg des Deutschritterorden und später der Polnischen Könige. Wir haben den Tipp bekommen, unbedingt das Museum zu besuchen. Wer uns kennt, weiss, dass wir ja nicht die Museumstypen sind, aber auf diese Empfehlung hin lösen wir den Eintritt.
Und was für ein Museum! Die gesamte Burg ist das Museum! Wir bekommen ein Audioguide-Kästchen um den Hals mit Kopfhörern, Jakob unser deutsch akustische Reiseführer leitet uns sofort ab dem Kauf der Tickets perfekt um das ganze Schloss, darin umher, in verschiedene Ausstellungen und das alles via GPS und WIFI und was weiss ich wie gesteuert. Wir müssen nichts machen, nur zuhören und den Anweisungen folgen.
Es ist echt fantastisch gemacht und wir kriegen von allem einen Eindruck und viele Hintergrundinformationen: Bernstein, Waffen, Bau, Münzprägungen und das gesamte Leben in der Burg in der damaligen Zeit. Nach zwei Stunden drücken wir beim Kästchen auf Pause und gehen in das Burgeigene Restaurant Gothic eine Pause machen.
Was ist denn das für ein Schuppen! Alles alte, gotische Grund-Menus, auf die heutige Zeit angepasst. Wir können uns schon fast von der Speisekarte nicht losreisen, da dort alles auch auf Deutsch erklärt wird, wie das früher gemacht wurde. Als wir endlich bestellen, erklärt uns der junge Kellner, dass er noch am Lernen ist und vielleicht noch nicht alles perfekt mache, aber er würde uns als Vorspeise die frischen Brötchen der Küche empfehlen. Klar bestellen wir die und ich kann euch sagen: wir haben selten so gut gegessen wie hier in der Burg. Das können wir unbedingt empfehlen.
Vollgegessen gehen wir mit unserem Jakob dann weiter, aber ganz ehrlich, im Klosterteil können wir dann nicht mehr und kürzen ab. Diese Audioführung ist zwar der Hammer, aber sie dauert zwischen 2,5 bis 3,5 Stunden.
Zurück beim Womo, überlegen wir, was wir machen sollen. Den Stellplatz haben wir bezahlt, wir könnten also hier bleiben und er ist wirklich sehr schön gemacht. Aber wir entschliessen uns, doch weiter zu fahren, denn sonst kommen wir ja nie nach Hause. Wir sind schliesslich immer noch in Nordpolen.
Per Autobahn geht es dann noch rund 160km weiter nach Torun, dort habe ich einen Parkplatz gefunden, der grad bei der Altstadt und am Ufer der Weichsel liegt. Ich habe Anita versprochen, dass sie heute nicht kochen muss und wir auswärts essen gehen. Aber als wir bei diesem Parkplatz ankommen, sind wir immer noch gesättigt vom Essen in der Burg. Dennoch machen wir noch einen kurzen Spaziergang in die Altstadt.
Und hier fällt uns wieder der Kinnladen runter: Backsteinkirchen und Kathedralen, eine grosse Fussgängerzone und noch echt viel los. Wir haben in unserem Leben noch nie von dieser Stadt gehört, aber sie stellt einiges in den Schatten, was wir bisher kannten.
Polen, wir lieben dich immer mehr! Die Zeiten sind vorbei, als ich nach der ersten Nacht zuerst nach draussen ging, um zu schauen, ob beim Womo die Räder schon geklaut sind…
Auch der Parkplatz entpuppt sich als wahre Perle, wir stehen mit den Fenstern direkt an der Weichsel, kommen vom Parkplatz nichts mit über und denken, wir sind mitten im Grünen.
Nur das Internet klappt nicht richtig, bis ich meine WLan-Verstärker-Antenne anschliesse und sofort einige WLans empfange. Das mit dem besten Empfang ist vom Hotel Copernicus, aber verschlüsselt. Bei Hotel-WLans sind die Passwörter nie wirklich einfallsreich, also probiere ich zuerst den Hotelnamen und wumm, schon bin ich drin.
Schnelles Internet, schöne Aussicht, tolle Frau, was will man mehr? Tja, nur fünf Fotos von heute auswählen, das wir eine echte Höllenqual…
unseres Reisestrecke