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Kalt in Kuopio

wir sind im Winter Skandinaviens angekommen

Es war mit -12 Grad die erste wirklich kalte Nacht auf dieser Reise und da wissen wir noch nicht, dass heute das Thermometer nie einstellig anzeigen wird. Den ganzen Tag haben wir zwischen -10 und -12 Grad. Da wir bisher noch keine wirkliche Angewöhnungszeit hatten, fühlt es sich schon sehr kalt an.

Aber am morgen mache ich zuerst ein paar Temperaturmessungen im Knutschi (und zwei draussen, ein Holzpfahl hat minus 17 und das Eis -16) : vor den Fensterabdeckungen, direkt an der Scheibe, hinter dem Wintervorhang und vor und hinter den Schaumstoff-Dachfensterabdeckungen. Unsere gebastelten Isolierungen bringen schon ziemlich viel, die Scheiben waren gefroren, aber innen genau 8 Grad. Wir haben die Heizung nachts auf 8 Grad eingestellt und erstaunlicherweise hat es im gesamten Knutschi ziemlich genau diese 8 Grad, erstaunlich. Keine Sorge, hinten, dort wo wir schlafen und dort wo die Heizung sitzt, ist es wärmer, habe ich aber vergessen zu messen… Schätzungsweise 18 Grad und unter der Decke ist es noch viel Wärmer.

Nach meinen Messungen ist dann Anita auch endlich bereit, aufzustehen, aber dann muss ich wie jeden Morgen helfen, unsere Bettdecke auszuschütteln. Und ich kriege natürlich wieder die zwei Ecken, die nur Deckenbezug sind und nichts flauschiges drin. Also habe ich wieder ein riesiges Gemurkse, bis die Ecken in den Ecken sind. Und dann, als wir fast fertig sind, sagt meine Holde Kunigunde: «wart, wir müssen die Decke umdrehen, sie liegt falsch». Hä, wie kann eine Decke falsch liegen und wenn ja, wie würde man das merken? «Das oben muss immer oben sein». Und wie merkt man, was immer oben ist? Für mich ein Buch mit sieben Siegeln, Widerstand aber zwecklos. Meine Holde richtet die Decke, wie es anscheinend genau richtig ist. Dann sind wir endlich abfahrbereit, der Motor startet auch bei -12 Grad problemlos und wir kommen auch gut von der eisigen Fläche weg.

Der Strom fliesst vom Motor in die Batterie, wie es sollte, ohne Ladebooster mit ca. 15 A, mit Ladeboster aktuell mit 35A. Es ist eine wahre Freude, ich könnte den Ladebosster noch hochschrauben, so dass ungeführ 65A in die Batterie fliessen würden. Aber das ist heute nicht nötig, wir haben 110km Fahrt bis nach Kuopio geplant und die Batterie muss insgesamt nur 50Ah laden, macht bei 2 Std geplanter Fahrt 25 A. Unsere Lichtmaschine muss übrigens schon vor dem Start nicht richtig gelaufen sein, denn vorher war irgendwie Theorie und Praxis völlig verschieden, und nun ist die Theorie gleich wie es in der Praxis ist (oder umgekerht?).

Wir kommen locker in Kuopio an, mehr auf das Thermometer schauend wie auf den Tacho. Zuerst geht es direkt zu den Schanzen. Also raus und bei den Finnischen Springer zuschauen. Die werden vom einheimischen Klub «Puijon Hiihtoseura» bald auch im Weltcup für Furore sorgen, prophezeie ich euch. Der Schanzenrekord hier hält übrigens Simon Amman mit 106m.

Start zum Langlauf

Nun sehen wir auch die Langlaufloipe vorbeiführen, also Langlaufski hervornehmen, warm anziehen und wegskaten. Anita hat sich allerdings mit der Kälte etwas verschätzt, nach 200m sind ihre Hände schon abgefroren. Und weil es ja Spass machen sollte, dreht sie wieder und flieht ins warme Knutschi. Ich hingegen gebe Gas und kurze zeit später hole ich Iivo Niskanen ein. Wir reden kurz, bis ich ihn dann stehen lasse…

Na ja, die Loipe ist aktuell nur ungefähr einen Kilometer lang, dann ist man schon wieder zurück. Es hat einfach zu wenig Schnee. Sie warten hier sehnlichst auf Schneefall, der morgen dann auch kommen soll.

Eisreinigung

Nach dem kurzen Langlaufabenteuer beschliessen wir, runter an den See zu fahren und etwas spazieren zu gehen. Wir durchqueren also die ganze Stadt (ist nicht so gross, aber ziemlich eisig) und parkieren in der Nähe des Sees. Nun ziehen wir uns etwas wärmer an und sind kurze Zeit später fasziniert von den Eisläufern, die auf einer abgesteckten Strecke kilometerlang auf dem Eis Schlittschuhlaufen. Wir laufen die Strecke zu Fuss ab und können es irgendwie fast nicht glauben, dass wir da einfach mitten auf einem See herumlaufen. Es ist eisig, aber faszinierend. Zwischendurch kommt von der Gemeinde das Eispräparationsfahrzeug und spritzt einen dünnen Wasserfilm auf die Strecke, damit alles schön glatt bleibt. Ist sein Wassertank leer, wird an einem Eisloch mit einer Pumpe Wasser gefüllt und weiter geht’s. Natürlich gibt es auch heute finnische Eislochbader, aber ganz ehrlich, heute kommen wir nicht mal auf die Idee, uns auszuziehen und auch nur einen Finger hereinzustrecken… Viel zu kalt!

Wir spazieren eine Stunde auf dem Eis herum, bis wir dann wieder beim Knutschi sind. Nun geht es hoch zum Parkplatz beim Puijo-Turm. Hier habe ich für heute Abend einen Tisch reserviert für ein romantisches Abendessen. Die Kälte muss doch gefeiert werden. Wir stellen unser Knutschi auf dem Parkplatz vorher ab und wollen da nach dem Essen übernachten. Meine Holde übertreibt wieder Mal saumässig und macht ein Geschiss, weil unser Womo ganz leicht schief steht. Aber für eine Nacht wird das wohl gehen, oder?

so schlimm ist es nicht, wie Anita tut

Danach marschieren wir Richtung Puijo-Turm los und fahren mit dem Lift nach oben. Die Aussicht ist grandios und die Landschaft mit all den Seen und Inseln sieht super aus. Auch das Nachtessen schmeckt uns vorzüglich, allerdings an das drehende Restaurant müssen wir erst gewöhnen. Es drehen nämlich nur der Boden mit den Tischen, die Fenster mit den Fenstersimsen bleiben starr und plötzlich sind unsere Mützen und Handschuhe weg, d.h, irgendwo 20m weiter hinten...

Puijo-Turm

Aber danach im warmen Knutschi, draussen -14 Grad, ist es eben doch am schönsten.

Sonnenaufgang 9:08 Uhr, Untergang 15:32 Uhr, Tageslänge 6:24Std.



Für alle, die Findpenguins nicht haben und den Blog von Anita lesen möchten. Ausnahmsweise ihr heutige Eintrag unten, (aber nicht, dass ich noch mehr Leser verliere und alle nur noch das von Anita lesen...

 

Ich wache auf und bin todmüde. Wirklich, als hätte ich die ganze Nacht einen Marathon gelaufen – in meinen Träumen natürlich, mit Umwegen durch Labyrinthe und Gesprächen mit Eichhörnchen (keine Ahnung, wo die plötzlich herkamen). Aber dann, der Wendepunkt des Morgens: Mein lieber Mann bringt mir einen Kaffee ans Bett. Und in genau diesem Moment beginnt der Tag, sich von „Bitte nicht!“ zu „Vielleicht doch!“ zu wandeln.

Kaum sind wir abfahrbereit, verabschieden wir uns von diesem wunderschönen See, der sich gestern wie eine Postkarte ins Gedächtnis gebrannt hat, und düsen los nach Kuopio. Unser Ziel? Der berühmte Puijo-Turm. Heute Abend werden wir dort dinieren, und ich schwöre, ich sehe uns schon, wie wir mit einem Glas Wein in der Hand auf die schneebedeckte Landschaft hinabblicken und uns fühlen wie König und Königin des Winters.

Doch bis dahin haben wir noch einiges vor.

Rolf, mein Wikinger, macht sich an die Arbeit, die Langlaufskier startklar zu machen. Er gleitet los, als hätte er in einem früheren Leben ein Rentiergespann angeführt. Ich hingegen bin eher mit der Frage beschäftigt, wie ich meine Finger vor dem sicheren Kältetod bewahren kann. Minus 12 Grad sind keine Kleinigkeit. Nach wenigen Minuten lande ich zurück im Knutschi, der wunderbar warmen Komfortzone unseres mobilen Zuhauses.

Rolf macht noch eine weitere Runde auf der Loipe, während ich es mir im Wohnmobil gemütlich mache. Dann tauschen wir: Gemeinsam schauen wir noch beim Skispringen zu. Diese Waghalsigen, die sich von der Schanze stürzen – ich bewundere sie, während ich froh bin, mit beiden Füssen fest auf dem Boden zu stehen.

Aber jetzt wird’s magisch: Wir fahren zu einem riesigen See. Und Leute, ich sag’s euch, mein Herz macht einen Sprung. Der See ist zugefroren, das Eis glatt wie ein Spiegel, und überall Menschen auf Schlittschuhen – so lässig, als wären sie direkt aus einem finnischen Wintermärchen geschlüpft.

Ich spaziere mit Rolf über den See. Ja, über das Eis. Ich bin hin und weg. Das Eis wird sogar von einer Maschine geglättet – wie in einem überdimensionierten Outdoor-Traum. Es glitzert, funkelt und sieht so surreal schön aus, dass ich am liebsten eine Ode an diesen Moment schreiben würde.

Es sind diese Tage, an denen die Welt einem zuflüstert: „Hey, so wunderschön bin ich, wenn du mal kurz innehältst.“ Und genau das mache ich. Mit kalten Fingern, einem glücklichen Herzen und einem Lächeln, das vielleicht sogar das Eis zum Schmelzen bringt – hoffentlich nicht wörtlich.

Es ist ein Moment, den ich am liebsten in eine Schneekugel packen und für immer bewahren würde.

Als die Sonne langsam am Horizont verschwindet, machen wir uns auf zum Puijo-Turm. Der Gedanke an ein Dinner über den Lichtern von Kuopio lässt mein Herz ein bisschen höher schlagen. Es sind Tage wie diese, die einem zeigen, wie wunderschön das Leben sein kann – mit einem treuen „Knutschi“, einem geliebten Menschen und einer Welt, die immer wieder aufs Neue verzaubert.

Wir geniessen die Aussicht während des Essens, und ich muss zugeben: Es hat etwas Magisches, wenn man während eines leckeren Menüs ganz langsam einen 360-Grad-Blick auf die Umgebung bekommt. Ein bisschen fühlt es sich an wie in einem Film – wir, die Hauptdarsteller, auf einer drehenden Bühne. Die Lichter in der Stadt gehen an. Ein Lichtermeer, das sich im See spiegelt. Ich erwische mich dabei, wie ich einfach nur aus dem Fenster starre und fast mein Dessert vergesse.

Rolf schaut mich schmunzelnd an und fragt, ob er mich ans Fenster kleben soll, damit ich gleich bis zum Frühstück sitzen bleiben kann. Ich lache, aber insgeheim überlege ich wirklich, ob ich einfach hier bleiben möchte. Wie gemütlich wäre es, in den weichen Polstern sitzen zu bleiben, bis der Morgen graut?

Nach dem Essen entscheiden wir, noch einen letzten Rundgang draussen auf der Plattform zu wagen – diesmal gut eingemummelt. Der Wind pfeift uns um die Ohren, und ich fühle mich wie in einem epischen Abenteuerfilm.

Zurück im Wohnmobil kuscheln wir uns in Decken ein, trinken einen Schluck Rotwein und lassen den Tag Revue passieren. Es fühlt sich an, als wären wir auf einer anderen Ebene unterwegs gewesen – nicht nur geografisch, sondern auch irgendwie spirituell. Der Turm, die Aussicht, das Essen, der Wind: alles hat seinen eigenen kleinen Platz in diesem wunderbaren Puzzle, das wir Reise nennen. Und ich kann es kaum erwarten, was morgen auf uns wartet.

Übernachtung

Kuopio - Puijo***
frei

etwas schräg

Koordinaten: 62.90881,27.658707
N 62° 54' 31.7"  E 27° 39' 31.3"
letzter Besuch: 1.2025

21.1.2025 - Hallo Rolf Du bist mutig innen nachts nur 8 Grad einzustellen, damit ziehst du dir Schwitzwasser in vielen unzugänglichen Ecken hinein. Wenn wir mit unserem TI Womo Wintercamping machen gehen wir nie unter 16 Grad. Tolle Bilder habt ihr gemacht, viel Freude weiterhin und Grüsse vom nebligen TG Bodensee. Jörg

Jörg

22.1.2025 - Hallo Jürg das Thema Kondenswasser ist vielschichtig. Deine Aussage finde ich etwas zu pauschal. 8 oder 16 °C hängt immer auch von der Fühlerplatzierung ab. Und kondensieren tut es an der kältesten Stelle, und je grösser die Temperaturdifferenz ist, dann kondensiert es noch mehr. Der Vorteil von 16 °C könnte die höhere Luftzirkulation sein und das ist wieder abhängig von der Raumaufteilung und Möbelbau. Liebe Grüsse Pius
Pius


21.1.2025 - Keine Angst, Rolf, wir lesen immer beide Kommentare...den technischen von dir und den romantischen von Anita... :--)) Liebe Grüsse euch Beiden Marlies und Thomas

Thoberman


21.1.2025 - Da kann ich Thoberman nur zustimmen, du brauchst keine Angst zu haben. Ihr ergänzt euch einfach wunderbar. Wie oft habe ich über deine humorvollen Berichte lachen können und finde es auch spannend wie anders ein Tag aus deiner Sichtweise und Anita‘s Sichtweise aussieht. Genau das gefällt mir und ich freue mich jeweils riesig eure Berichte lesen zu dürfen. Weiterhin ganz ä schöni Ziit.

Fränzi


21.1.2025 - Hallo Rolf, Auch ich lese mit Spannung jeden Tag Deinen&Anitas Bericht. Beide sind auf ihre Art unterhaltsam&spannend. Ich möchte keinen missen. Freue mich auf Eure Einträge und aufs "mitreisen".Weiterhin gute Reise

Andrea Bellè


22.1.2025 - Liebe Anita, lieber Rolf - Wieder ein wunderschöner und interessanter Bericht. - Bei Renate kamen die Erinnerungen an Kuopio zurück, wo sie 1957 im Schüleraustausch war. - Das ist kein Schreibfehler. - Wir sind eben eine Generation älter. - Wir wüschen weiterhin schöne Erlebnisse und gute Reise. - Mit lieben Grüssen vom Wohlensee, der nicht zugefroren ist. -

- Michael und Renate


22.1.2025 - Moin Rolf, mir fällt auf, dass der Tracker seit dem Einbau des neuen Alternators nicht mehr denselben Status meldet. Vorher: "GOOD", nachher: "manuell". Musst du da etwas unternehmen? Gruss

Fred

22.1.2025 - Hallo Fred, der Tracker spinnt jetzt nach 10 Jahren irgendwie, hat aber nix mit dem anderen zu tun. Ich trage nun jeweils einige Punkte manuell nach.
Rolf


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