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Finnland 2024
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Vogel-Spektakel

und Spektakel-Strecke

Vogelfelsen

Wie ein Reh hüpfe ich heute um 8 Uhr frisch und munter zum Bett hinaus. Einiges an Schlaf ist nachgeholt und die angekündigte Schlechtwetterfront hat anscheinend Verspätung.

So fahren wir gut gelaunt dem Meer entlang nach Vardø. Es sind nur etwas über 70km und wir schauen uns auf dem Weg nach Übernachtungsplätzen um. Wir müssen diese Strasse wieder zurück und man weiss nie, ob wir das heute schon machen und dann ganz nahe am Meer übernachten wollen oder erst morgen. Die Gegend ist nicht mehr so rau wie bisher, dafür grün, bewirtschaftet und die Ortschaften stehen etwas enger zusammen, wie bisher im Norden. Wir kommen aber sehr gut vorwärts, es hat keinen Verkehr und kurz vor Vardø geht’s in den Tunnel und tief hinab unter dem Meer hindurch. In der Ortschaft fahren wir am Hafen vorbei bis zuhinterst auf die kleine Landzunge, dort gibt es einen grossen Parkplatz für Wohnmobile. Wir haben eine direkte Sicht auf die Vogelinsel Hornøya. Auf dieser kleinen Insel gibt es nicht nur tausende von Vögeln, sie ist auch der östlichste Punkt Norwegens. Dieser liegt auf dem Längengrad von Kairo und Istanbul. Aber hier im Norden sind zwischen diesem 31. Längengrad und dem 0-Meridian nur gerade 1160km, während es in Kairo näher am Äquator knapp 3000km sind. Interessiert euch wahrscheinlich weniger, aber mir als gelernter Vermesser bedeuten diese Zahlen schon etwas. (Am Äquator wäre der Abstand 3450km, am Nordpool 0km)

Also zurück zum Reisebericht in Vardø. Wir parken das Womo, ziehen warme Kleidung an, bestücken die Fotoapparate mit frischen Batterien, montieren das Teleobjektiv und marschieren 20 Minuten bis auf die andere Seite des Hafens. Gleichzeitig sehe wir, dass es in der Stadt verschiedene Restaurants gibt, ein Kino, grosse Kirche, Einkaufsläden. Aber wie fast überall im Norden sieht es eher etwas heruntergekommen aus, ausser der Kirche natürlich. Bei der Tourist-Info am Hafen kaufen wir zwei Tickets für die Schiffs-Überfahrt, je 600 NOK (CHF 50.-), sie dauert nur 10 Minuten und die nächste legt um 12 Uhr am Hafen ab. Es sind 14 Personen anwesend, aber auf dem motorisierten Schlauchboot haben nur 10 Platz, also fährt dieses Boot die Wegstrecke von knapp 10 Minuten einfach zweimal. Das normale Touristenboot mit 12 Plätzen hat grad noch einen Arbeitseinsatz (es hat auch ein kleiner Kran auf jenem Boot) und steht momentan nicht zur Verfügung. Anita schaut zwar etwas skeptisch, aber die 10 Minuten wird sie schon durchhalten. Es fühlt sich dann auch eher wie eine Karussellfahrt an, mit Volldampf über die Wellen, es rüttelt und spritzt, aber wir kommen dennoch mit umgeschnallten Schwimmwesten gut auf der Insel an.

auf der Hinfahrt

Und schon am Steg sehen und hören wir tausende von Vögeln kreischen. Einige niesten direkt am Weg, andere weit oben im Felsen. Wir sind noch keine 10m gelaufen, sehen wir schon die ersten Papageientaucher. Es ist ein Riesenspektakel, Vögel fliegen über uns hinweg, haben keine Scheu von den Menschen und nisten zum Teil direkt unter der Treppe des Wanderweges. Wir sehen Tordalk, Trottellumme, Dreizehen-, Silber- und Mantelmöwe, Krähenscharbe, Graugans und natürlich Papageientaucher. Wir sind keine Vogelkundler, aber wir sind fasziniert von den vielen Vögeln und den Möglichkeiten, sie so nahe zu fotografieren.

Als wir uns erst mal satt gesehen haben, laufen wir zum Leuchtturm hoch und sehen ganz an der Kante aussen, wieder ganz viele Papageientaucher. Die putzigen Tierchen posieren in allen Stellungen extra für uns und weil es etwas über 7500 brütende Paare auf der Insel gibt, machen wir ungefähr ebensoviele Fotos. Nur erwischen wir keinen einzigen Puffin richtig scharf beim Landeanflug, da sind wir zu langsam und auch keinen, der gleich 5 Fische im Schnabel nach Hause bringt. Die Jungvögel sind noch nicht ausgeschlüpft und darum müssen die Eltern auch noch nicht viel Nahrung herbringen.

sorry für die anderen Vogelarten, aber die Puffins sind sooo herzig

Wir sind echt fasziniert und finden das Erlebnis auf dieser Insel wirklich toll. Die Überfahrt kostet zwar einiges, aber da ist eben quasi auch der Eintritt und die Pflege der Insel mit dabei. Es gibt Wanderwege von der Klippe zum Leuchtturm, wo man sich frei bewegen darf und der Rest der Insel ist zum Wohle der Vögel für Touristen gesperrt. Wir finden das eine gute Idee, man kommt sich nicht eingesperrt vor, die wenigen Touristen verteilen sich sofort und die Vögel können ihre Ruhe haben, wenn sie es wünschen. Auch fasziniert sind wir vom Zusammenleben der verschiedenen Vogelarten. Alle kreischen durcheinander, nisten durcheinander und lassen sich dennoch in Ruhe.

Man kann hier coole Fotos auch von Papageientaucher mit dem Handy machen, mein 200-600mm Objektiv ist fast etwas überdimensioniert, da man den Vögeln so nahekommen kann. Gute Schuhe sind übrigens ein gewichtiger Vorteil, zum Teil ist es etwas sumpfig auf den Wegen. Die neuste Bekleidung sollte man übrigens auch nicht tragen, die Chance ist gross, dass man irgendwo mit Vogeldung getroffen wird. Wir kommen aber heil und sauber davon.

Nach zweieinhalb Stunden haben wir es gesehen, unser 36er-Fotofilm ist voll, also gehen wir zurück zum Landungssteg und warten, bis das nächste Boot uns abholt. 10 Minuten später kommt dann das richtige Touristenboot, dass seinen Arbeitseinsatz mit dem Kran abgeschlossen hat und holt die ersten 12 Touristen, inkl. uns, zurück zum Hafen.

Um halb vier sind wir wieder beim Knutschi und beraten, wie es mit uns weitergeht. Da die Sonne scheint, entschliessen wir, die 40km der Touristenroute Fv341 nach Hamningberg weiter raus zu fahren. Eine absolute Hammer-Spektakelstrasse genau nach unserem Geschmack! Sie ist einspurig mit Ausweichstellen und führt meistens zwischen schroffen, zackigen Felsen dem Meer entlang, dazwischen an einen Sandstrand, bevor es wieder zwischen Felsen weiter geht. In einer der Buchten sollen sich momentan Wale aufhalten, darum hat es auch einige Fotografen hier, die gebannt aufs Meer starren. Uns interessiert momentan die Strasse aber mehr und darum wollen wir nicht viel Zeit vertrödeln, um vielleicht weit draussen irgend einen grauen Schatten von Wal zu sehen. Wir sind dafür von der Strecke total begeistert und es lohnt sich jeder Kilometer dieser Strasse. Ganz am Schluss in Hamningberg gibt es einen grossen Parkplatz, wo Bobils (Wohnmobile auf norwegisch) übernachten dürfen. Wir haben wieder das Gefühl, wir stehen am Ende der Welt. Es gibt neben Rentieren noch einige andere Womos auf dem Platz und das Meer können wir auf zwei Seiten sehen. Was will man mehr?

Wir richten es uns kuschelig im Womo ein, schauen nach draussen und freuen uns an den Fotos von heute. Wenn nun nur nicht die Wahl der Qual wäre, welche wir veröffentlichen und welche nicht.

Sonnenauf- und Untergang: -

122km
2:15h Fahrzeit
54km/h
9.7 l/100km

Übernachtung

Hamningberg - Park Camper****
frei Koordinaten: 70.54289,30.592742
N 70° 32' 34.4"  E 30° 35' 33.9"
letzter Besuch: 6.2024

19.6.2024 - Liebe Anita und Rolf Ich wusste, dass euch der Weg nach Hamningberg gefallen wird. Was ich mir aber jeweils, wenn ich/wir da oben waren, nicht mehr bewusst war, dass Vardø östlicher liegt als Grense Jakobselv. Dank dem Vermesser habe ich gerade mein geografisches „Gefühl“ korrigiert. Ich sollte mich vielleicht auch mit den Längen- und Breitengraden beschäftigen und nicht nur mit der Landschaft. Ja, ich kann sagen, dank dem regelmässigen Lesen dieses Blog, konnte ich schon mehrmals „Gefühlsmässigkeiten“ mit „harten Tatsachen“ tauschen. Danke Rolf und wandere auf den Steinhügel, nach meinem Gefühl nördlich des Parkplatzes, und wasch danach in der Meeresbucht den Schweiss ab und schau zum Steinhügel hoch. Ein tolles Gefühl, sag ich dir. Liebe Grüsse und weiter so!

Andreas


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