Schweizer sein, ist das ein Segen oder ein Fluch?
Ich reise an die kleine aber feine Camping-Messe nach St.Gallen. Dort angekommen, will ich in meinen von der Messeleitung reservierten Parkplatz einbiegen. Der Parkplatzwächter hält mich auf und fragt nach einer Parkplatzkarte.
„Was für eine Karte?“
„Die Parkplatzkarte!“
„Sorry, ich habe keine Parkplatzkarte, habe leider keine geschickt bekommen“
„Ohne Karte dürfen sie da nicht rein!“
„Ich gehöre zur Messe, hier ist mein Schreiben für den reservierten Parkplatz“
„Ist aber keine Parkplatzkarte“
„Ich gehöre zur Messe und habe da eine VIP-Einladung“
„aber keine Parkplatzkarte, ohne die kommen sie hier nicht durch“
„Ok, ich begreifs, kann ich aber mitmeinem Womo nicht hier von der Strasse weg in den Parkplatz, und danach die Parkplatzkarte organisieren?“
„Sie kommen hier nicht rein ohne Parkplatzkarte“
„Können sie mir sagen, wo es einen Parkplatz hat, damit ich die Parkkarte organisieren kann?“
„Dort hinten ist das Parkhaus“
„Ich komme mit meinem Wohnmobil nicht ins Parkhaus!“
„Andere Messeparkplätze gibt’s einen Kilometer von hier“
„Ich brauch nur ein Ort, wo ich fünf Minuten mein Womo parkieren kann, um diese Karte zu organisieren“
„Hier geht es nicht!“
Entnervt fahre ich weiter, parkiere in einer Fahrverbotsstrasse und organisiere diese Parkkarte. Keine zwei Minuten später habe ich diese Karte, ganz easy. Also zurück zum Parkplatz und ich darf ohne weitere Diskussion hineinfahren, parke mein Womo und will gerade aussteigen, als mein neuer Freund wieder kommt.
„So brauchen sie aber zwei Parkplätze!“
„Ich weiss, aber ich passe nicht in einen Parkplatz hinein!“
„Müssen sie aber, sie haben nur eine Parkplatzkarte“
„Ich kann aber die Türe nicht öffnen, wenn ich mich genau in diese Lücke dränge!“
„Mit nur einer Parkkarte müssen sie das aber“
Also zwänge ich mich in die Lücke, kann die Aufbautüre nicht mehr öffnen und kann das Womo nur über die Fahrertüre verlassen. (Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiss: Abends bin ich auch auf der anderen Seite zugeparkt, kann jetzt weder eine Garagentüre öffnen, noch den Wasserhahn des Abwassertanks schliessen, er war offen, damit er nicht einfriert, habe keine Möglichkeit, einen Eimer unter den Ablass zu stellen noch irgend eine Tomatensauce aus der Garage zu nehmen um mir eine Sauce zu den Teigwaren zu machen. Kann also auch das Wasser im Womo nicht gebrauchen, denn sonst gefriert es auf dem abschüssigen Platz und jeder weiss sofort, wer den Abwasserhahn offen hat. Und was würde dann mein neuer Freund mit mir anstellen? Aber all das merke ich erst am Abend, als ich zurückkam und meine trockenen Teigwaren esse...)
Die andere Geschichte ist aber noch nicht fertig. Nachdem ich endlich parkiert habe, nehme ich mein Eintrittstikket und will in die Messe. Das Drehkreuz lässt mich nicht durch, schaltet auf rot.
„Sie dürfen da nicht rein“
„Ich habe hier meine Dauerkarte VIP“
„Sie sind zu früh dran, die Messe eröffnet erst um 11 Uhr“
„Ich weiss, aber meine Einladung zur Eröffnung ist um 10:30 in Halle 9“
„Aber dieses Ticket ist erst um 11 Uhr gültig“
„Nein, es steht auf dem Ticket, dass es ab 10 Uhr gültig ist“
„Der Strichcode sagt aber, sie dürfen erst ab 11 Uhr rein“
„Aber die Einladung ist auf 10:30 Uhr und auf dem Ticket steht, ich kann ab 10 Uhr rein“
„Der Code sagt aber, erst ab 11 Uhr. Hier kommen sie vor Elf Uhr nicht rein“
Ich versuch es an weiteren zwei Eingängen, erfolgslos.
Ich verpasse die Eröffnungsfeier und bin ziemlich angesäuert. Sechs Italienern, die an die Messe wollen, passiert genau dasselbe. Es ist eine Ferien- und Campingmesse, sieht so die schweizerische Gastfreundlichkeit aus? Vor lauter Korrektheit das Wesentliche nicht mehr sehen?
Ach egal, ich rege mich nicht mehr auf, meine Vorträge liefen ziemlich gut und ich habe auch noch erfreuliches an der Messe erfahren. Davon aber morgen mehr…
20.1.2017 - Und dann heißt es immer ... die Deutschen wären so korrekt ... aber anscheinend sind die Deutschschweizer noch exakter
Peter
22.1.2017 - Hoi Rolf, - du schreibst das recht lustig, aber eigentlich ist das doch zum Heulen. - So wie ich dich kenne, wirst du dem Veranstalter dieses unmögliche Verhalten schildern. - Emil könnte damit ein Abendprogramm füllen. Gruss
Michael