Wir sind wieder Glückskinder. Schon lange warten wir mal auf richtigen Regen, so dass unserem Knutschi endlich mal der Dreck weggewaschen wird. Heute hat das Warten endlich ein Ende. Aber zu Beginn müssen wir uns noch gedulden. Der blaue Himmel schimmert durch und wir sehen sogar die Sonne. Wir stehen in einer grossen Wiese, sehen auf zwei Seiten das Meer irgendwo am Ende der Welt. Der Wind pfeift zwar um unser Womo, aber das stört uns nicht.
Wir wollen heute nach Kirkenes, das sind rund 270km Fahrt, aber da wir nichts anderes vorhaben, kein Problem. Zu Beginn kommen wir aber nicht wirklich vorwärts, die Fahrt ist einfach zu schön. So machen wir Fotos mitten auf der Strasse, lassen sogar die Drohne unserem Knutschi nachfliegen. Platz haben wir zwar nicht auf der Strasse, aber da es keinen Verkehr hat und wir alleine sind, geht das prima. Na ja, einmal müssen wir das Filmen abbrechen. Diese Austernfischer, so ein Vogel, der uns schon die ganze Norwegenreise begleitet. Er nistet irgendwo am Boden und wenn man seinem Nest zu nahe kommt, macht er einen riesen Krach und verteidigt sein Nest, obwohl man es noch gar nicht sieht. Er hat uns ja schon mal die Elche verscheucht und heute nimmt er meine Drohne ins Visier. So breche ich ab, lande möglichst schnell und wir fahren zwei Kilometer weiter und versuchen es nochmals. Einen Absturz oder verlorene Fotos wollen wir uns nicht leisten und dass der Vogel einen Herzinfakt bekommt, natürlich auch nicht…
Weiter an der Küste vorne klappt das mit dem Video dann problemlos, kein Austernfischer in der Nähe. Aber gerade als wir fertig sind, kreist ein junger See-Adler über uns. Richtig Glück gehabt, denn meine kleine Drohne hätte gegen diesen Jäger wahrscheinlich keine Chance. Also wird schnell der Fotoapparat getauscht und ich versuche, Fotos von einem fliegenden Adler zu machen. Gar nicht so einfach, aber es klappt irgendwie. Und es ist echt majestätisch, diesem Raubvogel zuzusehen. Ein tolles Erlebnis. Der Seeadler bekommt übrigens erst mit etwa 5 Jahren die typisch weissen Schwanzfendern, darum ist unser fotografierter noch ein Jüngling… (Ich bin bald Ornithologe, nach dieser Norwegenreise).
Etwas später haben wir die tolle Strecke dann hinter uns und wir sind wieder in Vadsø, wo wir gestern Morgen gestartet sind. Wir fahren zur Entsorgungsstation, füllen Frischwasser, leeren Abwasser und Urintankt und gehen noch einkaufen. Leider hat es neben dem Lebensmittelgeschäft noch ein Outdoor-Kleidergeschäft und so ist Anita im Kleidergeschäft, bevor ich bei den Lebensmitteln bin. Also muss ich hintendrein, um 45 Minuten später mit einer glücklichen Anita mit neuen Wanderhosen (das 5. oder 6. Paar? So viel gehen wir jetzt auch nicht wandern…) wieder raus kommt.
Nach dem Einkauf der Lebensmittel machen wir den obligaten Fahrerwechsel und Anita fährt nun weiter. Nicht, weil sie noch Routine braucht, sie macht das schon super gut, sondern weil ich als Beifahrer noch Übung brauche. So auch heute. Zuerst ist der Fotoapparat nicht bereit, dann sind keine Getränke hier vorne und Anita muss nochmals stoppen. Und als denn später endlich auch die Handys in der Kabine sind und das Navi auch läuft, habe ich so einen durcheinander mit Brezel und Schokobrötchen, dass ich auf den letzten, neu gekauften Berliner trampe und die Konfitüre aus dem Loch spritzt. So wie es aussieht, muss Anita auch morgen wieder ein Stück fahren, bis ich die Aufgaben als Beifahrer besser im Griff habe.
unter Dach war heute der richtige Ort
Vor Kirkenes beginnt es dann endlich zu schütten und unser Knutschi bekommt eine wohlverdiente Dusche. Durch die schwarze Regenwolke und den Regen ist es so dunkel, wie schon lange nicht mehr. Anita muss sogar das Ablendlicht an unserem Womo einschalten.
In Kirkenes fahren wir dann auf den offiziellen Stellplatz und steigen nicht mehr aus dem Knutschi aus. Jetzt hat es nämlich genug geregnet und wie ich uns kenne, scheint morgen die Sonne wieder. Der Wetterbericht sagt zwar etwas anderes, aber mal schauen, wer recht hat.
Übrigens hier noch eine Geschichte von Pirkko und Andreas, die mich gebeten haben, ihre Geschichte zu veröffentlichen:
Liebe unbekannte Ostschweizer, wenn ihr das liest, meldet euch doch bei uns, wir geben euch die Adresse von Andreas und Pirkko weiter.
Eine sehr emotionale Begegnung erlebte ich bei einer Zigipause am 29. Juli 2018 auf einem Parkplatz beim Abzweig nach Grense Jakobselv, kurz vor dem Grenzposten Norwegen/Russland, etwas östlich von Kirkenes. Ein Ostschweizer (SG oder GR) Camperfahrer erzählte mir, warum seine Frau auch nicht aussteigt (meine Frau hat sich wegen Bauchschmerzen etwas hingelegt). Hier eine Kurzfassung: “Seine Frau sei stark behindert und hatte den Wunsch, noch einmal nach Nordnorwegen zu reisen. Sie hätten in früheren Jahren diese Gegend bereist und das wären wohl die schönsten all ihrer Reisen gewesen. Er trage sie nicht nur aus dem Camper, sondern auch im Camper herum.“ Sie schaut uns vom Beifahrersitz zu und ich ziehe den Hut bzw. meine Mütze als Achtung vor dem älteren Ehepaar. Ihr Camper ist übrigens ein ganz normaler Alkoven ohne von aussen sichtbare Behindertenausrüstung (breite Aufbautüre mit Lift etc.) wie ich sie auch schon gesehen hatte. Sehr berührt von dieser Geschichte verabschiedeten wir uns und wünschten einander stets gute Reise und alles Gute. Seither denke ich, besonders wenn ich mich für eine grosse Aufgabe motivieren muss, an diese Begegnung am “Ende der Welt“ mit dem Ostschweizer Ehepaar und das, zusammen mit den Landschaftsbildern der Finnmark, gibt mir Kraft, die Aufgabe zu meistern. Ich bin dem Ostschweizer noch heute dankbar und vielleicht, vielleicht liest auch er diesen Blog. Vielen, vielen und ganz herzlichen Dank an einen mir leider unbekannten Ostschweizer!!! Es gab, besonders in diesem 2018 (es war für uns auch der bisher wärmste Sommer dort oben) noch weitere, vielleicht nicht so stark emotionale Situationen wie diese mit dem Ostschweizer z.B. in Hamningberg oder auch auf der Fahrt auf der Hochebene nach Mehamn usw. Also, unsere Reisen ganz im Norden von Norwegen waren bzw. sind nachhaltig aber nicht gerade ökologisch, auch wenn wir sie jeweils von Nordostfinnland aus unternahmen.
Sonnenauf- und Untergang: -
285km
4:36 h Fahrzeit
61km/h
9.5 l/100km