Hätte auch nichts genützt, denn Wagenheber haben wir auch nicht
schöne Scheisse
Vor der Abfahrt sagt Anita allen Ernstes zu mir: «Du, heute will ich mittags mal eine längere Pause machen und nicht immer den ganzen Tag fahren.» Wenn sie da gewusst hätte, was für fatale Folgen dieser Satz noch hat, hätte sie sicher den Mund gehalten.
Vom Campingplatz weg nehmen wir eine Abkürzung, die wir auch hier besser nicht genommen hätten: Die Strassenverhältnisse! Aber wir können uns auf die Hauptstrasse retten und fahren dann an einem Bancomaten am andern vorbei Richtung Gebirge. Wir brauchen noch kein Geld, schliesslich habe wir noch etwa 2000 Dhm.
Das Wetter ist bedeckt mit Hochnebel, darum fotografieren wir im Tal noch nicht allzu viel. Danach geht es von der grossen Hauptstrasse weg Richtung Hoher Atlas und Marrakesch. Quer durch! Die Strasse ist schön, steigt stetig mit vielen Kurven den Berg hoch. Als wir die Nebeldecke durchbrechen und an die Sonne kommen, wird aber auch die Strasse schlechter. Nichts beunruhigendes, haben wir schon zu Hauf erlebt.
dieses Foto wurde uns zum Verhängnis
Wir machen viele Fotostopps und beim allerletzten lichte ich unser Knutschi ab, denke beim Durchschauen durch den Fotosucher, warum das hintere Rad in einem Loch steht. Dann wird mir halb schlecht als ich realisiere, dass wir einen Platten haben! Und was für einen, im Reifen auf der Seite klafft ein riesiges Loch, durchgeschauert von den fiesen Asphaltkanten am Rande der Strasse. Zu flicken oder zu pumpen muss man gar nicht daran denken. Schöne Scheisse, und wir sind auf 2000m im Niemandsland. Dann sehen wir per Zufall etwa 600m weiter ein Gebäude mit Terrasse an der Strasse.
Irgendwie schaffen wir es im Schritttempo noch bis dorthin, parkieren unser Knutschi und steigen aus. Wir haben schon mal riesen Glück, dass wir nicht die Strasse blockieren hier und noch mehr Glück haben wir, dass jemand in diesem Hotel ist. «Ca va?» ruft uns der Chef zu und wir verneinen. Wir hätten an unserem Wohnmobil einen kaputten Reifen. «Nicht so schlimm, ich montiere euch das Ersatzrad rauf.» Ich schüttle den Kopf, nix Ersatzrad, nix Wagenheber! Er kann es nicht glauben und meint an einen Scherz. Er habe in seinem ganzen Leben noch nie ein Fahrzeug ohne Ersatzreifen gesehen, schon gar nicht so ein grosses. Tja, dann ist es eben sein erstes!
Gestrandet vor dem Hotel Bellevue
Er zaubert einen Wagenheber irgendwo hervor und versucht, unser hinteres Rad anzuheben, aber der Wagenheber gibt grad sofort den Geist auf und verspritzt eine riesen Ölfontaine aus seinem Zylinderkopf.
«Er kenne eine Garage, da telefoniere er jetzt hin, und die kommen dann und flicken unser Rad» meint er freundlich, sprintet aber grad auf die Strasse um ein vorbeifahrendes Taxi zu stoppen und beginnt zu diskutieren.
5 Minuten später stehen sechs Männer um unser Knutschi, zwei Autos auf der Strasse und alle diskutieren miteinander. Wenn das nur gut geht. Mich haben sie irgendwie total vergessen. Dann beginnen sie grosse Steine und Holzbalken herzutransportieren, zaubern irgend aus einem Auto einen zweiten Wagenheber hervor und beginnen, unser Knutschi cm um cm anzuheben, legen einen grossen Stein unter die Achse, haben es wieder etwas an, ein zweiter Stein und so fort, so lange, bis das hintere Rad tatsächlich in der Luft schwebt. Alle montieren das defekte Rad ab. Heben es dem Taxi auf den Dachträger und dieses rast davon, notabene, ohne mein Rad auch nur ansatzweise darauf zu befestigen.
Dann tritt der Hotelchef das erste Mal zu mir und beginnt zu erklären: «ich rufe jetzt drei Garagen an, das Taxi fährt ins Tal, ich sage ihm dann zu welcher Garage, die flicken das Rad und danach bringt mir das Taxi das Rad wieder. Aber es könne etwas dauern, ist aber die günstigste Lösung». Nach ein paar Minuten kommt er mit einem Zettel zu mir, Pirelli 1600 Dhm, Michelin 1400 Dhm, und etwas anderes mit 1250 Dhm. Ich wähle das andere aus, denn jetzt muss es ziemlich günstig sein, wir haben insgesamt nämlich nicht mal mehr 2000 Dhm und einen Bancomaten kennen sie hier nicht.
Dann geht in der Sonne das Warten los. Wenn nur mein Knutschi nicht von den Keilen und Steinen fällt, ist momentan meine einzige Sorge. Und das Geld natürlich. Der Wirt macht uns eine Eier-Tajine mit Salat, und ein alter Berber-Händler quatscht uns mit seiner Lebensgeschichte voll und was für ein Glück wir haben, dass Allah uns die Panne hier geschenkt hat. Denn sonst wären wir vielleicht in einen schlimmen Unfall verwickelt. Er könnte ja recht haben.
Dann beginnt er seine echten Berberware auszupacken und will uns noch Schmuck verkaufen. Wir erklären ihm dann das mit dem Geld und wir zuerst das Rad, den Taxifahrer und das Essen hier bezahlen müssen und wenn dann noch etwas übrigbleibt, wir immer noch etwas kaufen können.
So geniesst Anita ihre gewünschte längere Mittagspause und mir ist immer noch flau im Magen, wenn ich unser Knutschi anschaue. Hoffentlich hält das und hoffentlich ist das ein schlauer Reifen, der dann irgendwann kommen sollte.
Und dann nach vier Stunden fährt hupend ein Taxi vor mit einem Rad auf dem Dach. Nicht befestigt…
Der Wirt kommt dann zu mir und sagt, das Taxi koste leider 300 Dhm (30€) (EIN Weg 80km) denn es sind 5 Plätze frei à 50 Dhm, sonst hätten wir noch viel länger auf das Rad warten müssen, wenn der Taxifahrer noch Leute einsammeln müsste, die nach Marrakesch wollen. Ist mir natürlich so was von egal und ich bezahle auch erleichtert, auch wenn ich erst jetzt beim Schreiben merke, dass er noch einen Rechenfehler gemacht hat. Rechnen liegt den Marokkanern einfach nicht im Blut.
Egal, das Rad ist dann schnell montiert und jetzt wird fachmännisch ohne Wagenheber, der ist ja längst mit einem andern Auto weiter gereist, abgebockt. Und ich muss echt sagen, das geht ziemlich gut, wenn man weiss wie. Und Marokkaner können so was einfach!
Nachdem wir dann dem Wirt alles inklusive Reifen bezahlt habe und ihm auch ein ordentliches Trinkgeld, Kleider und Spielwaren für seine Tochter gebe, haben wir noch genau 250 Dhm. 200 Dhm zieht uns dann noch der Händler-Berber aus der Tasche für eine Kette, haben wir noch 50 Dhm (5€) um uns bis zum nächsten Bancomaten 80km weiter zu retten.
Allerdings schaffen wir das heute nicht mehr, ich fahre wie auf Eiern und es dunkelt schon bald ein. In der nächsten Kleinstortschaft macht ein weiterer Berber ein Zeichen, dass wir dort auf dem Platz schlafen könnten, wenn wir wollten.
Wir nehmen das Angebot an, aber auch dieser will uns dann noch echte Berberware verkaufen. Wir haben aber kein Geld mehr, schenken ihm noch ein 5€ Schein für die Übernachtung und bezahlen mit 15 Dhm Münzen noch einen Tee, den er uns zubereitet.
Jetzt haben wir genau noch 20 Dhm (2€), sind aber glücklich, dass wir einen ruhigen und schönen Übernachtungsplatz haben.
Und morgen retten wir uns einfach zum nächsten Bancomaten und ich hoffe, Anita wünscht sich keine Pause, weder morgens, mittags noch abends.
Mit den Fotos sind wir heute etwas knapp dran, ich habe in der Aufregung einfach vergessen, Fotos zu schiessen...
27.11.2018 - Hallo ihr lieben, mir ist das Herz fast in die Hose gerutscht bei m lesen. . bin jetzt noch ganz zittrig! Z g alles gute gegangen. Viel Glück und gute Heimreise käthy
27.11.2018 - Hallo, ihr Lieben - Trotz des Pechs mit dem "Plattfuss" habt ihr doch Glück gehabt, dass es nicht total in der Pampa geschah (und auch die Moneten gerade so reichten). Eine pannenfreie Heimfahrt wünschen Renate und
27.11.2018 - Hallo zusammen Mir wurde schon lau im Magen wo ihr den Wagen Heber entfernt habt. Dachte dazumal schicken , wow ich könnte nie im Leben ohne Ersatz Rad und schon gar nicht nach Maroko ;-). Also ich könnte nie ohne soweit reisen. Aber zum Glück habt Ihr Schutzengel bei Euch. Wünsche Euch eine sichere Heimfahrt
Richi
27.11.2018 - Abenteuer pur, man lernt eben nie aus. Wir haben schon den Reservereifen eingepackt :) GlG und alles Gute! Richard