Und ich könnte die Wände hinauf
vor dem Meer
Die Nacht war mit -23 Grad so richtig kalt, das merkt man im Knutschi schon abends. Sogar die Aufbaubatterie unter dem Beifahrersitz hatte nur 0,1 Grad. So schalten wir dann unser kleines Elektroöfeli auf der untersten Stufe an und zielten mit dem Wärmestrahl unter den Beifahrersitz. Inzwischen stiegen wir aber gestern Abend in die Kälte hinaus und genossen 90 Minuten lang die von neuem spektakuläre Lichtschau am wolkenlosen Himmel. Allerdings wussten wir auch, dass nun die Schönwetterphase mit 2 klaren Nächten und einem schönen Tag schon wieder zu Ende geht.
Am Morgen war dann wirklich alles beinhart gefroren an unserem Womo, das Thermometer zeigte mehr wie -20 Grad an, es fühlte sich aber deutlich kälter an. Wir verabschieden uns von Sonja und René, machen uns startklar und auch unser Knutschi läuft beim ersten Mal etwas röchelnd an. Wir machen uns nun auf den Weg weiter in den Norden und schon 30km später überqueren wir die Grenze nach Norwegen.
Die Landschaft ändert sich, es wird bergiger, es gibt mehr Kurven in den Strassen, es geht bergab und berghoch. Oben auf den kleinen Bergen ist es jeweils -11 Grad, unten im Tal dann wieder -21 Grad. Aber je näher wir dem Meer kommen, desto wärmer wird es, -9 Grad, dann -7 am Schluss sogar nur noch -5 Grad. Wir passieren Porsangmoen, einer der grössten militärischen Stützpunkte Norwegens, den auch ausländische Dienststellen nutzen, um das Überleben in einer arktischen Winterumgebung zu trainieren.
Nachdem wir diesen Militärstützpunkt passiert haben, sind wir 20km später am norwegischen Meer, hier in der Bucht noch gefroren, aber schon wenige Kilometer weiter ist das Meer eisfrei und wir haben ein tollen Blick auf das Wasser, wie nie in den vergangenen zwei Wochen. Zum letzten Mal sahen wir das eisfreie Meer nach den Aland-Inseln. Hier hat es selten Eis, weil die Ausläufer des Golfstrom wärmen. Diese warmen Meeresströmungen transportieren grosse Mengen an Wärme aus tropischen Regionen bis in den hohen Norden und verhindern, dass das Meer zufriert. Dazu ist der Salzgehalt des Wassers höher wie etwa in der Ostsee. Einen Einfluss hat auch die Tiefe des Meeres: die norwegische Küste ist von tiefen Fjorden und Meeresströmungen geprägt, die kaltes Wasser absinken lassen und wärmeres Wasser nach oben bringen. Also kurz, wir wussten, dass es hier kein Eis hat, egal wie kalt die Luft ist.
Wir fahren durch Lasksev weiter Richtung Olderfjord. Es ist halb zwei und es beginnt schon langsam einzudunkeln? Wie kann das sein? Ach ja, uns wurde wieder eine Stunde gestohlen, als wir die Grenze von Finnland nach Norwegen überschritten haben. Im Dunkeln zu fahren ist nicht unsere Welt, man sieht ja fast nichts von der Gegend und gefährlicher ist es auch bei dieser Glätte.
Da wir in vergangen Jahren schon einige Male in Olderfjord durchgefahren sind, wissen wir, dass es hier einen Campingplatz direkt am Meer gibt, diesen steuern wir an. Wunderschöner Platz direkt am Meer.
Aber dann nimmt das Unheil seinen Lauf!
Die Reception ist über der Strasse in einem schönen Souvenirshop, und das bringt endgültig mein Verderben! Zuerst bei der Anmeldung geht ja noch alles gut, aber dann ist Anita wieder etwas weiter hinten im Laden und kommt auf einmal mit dem Blick eines jungen Dackels auf mich zu. Dieser Blick kenne ich und das heisst gar nichts Gutes! Und dann geht es los: «mein Mantel ist ja schon ziemlich alt, und braun auf den Fotos sieht ja nicht so gut aus und gestern war es so kalt, da habe ich gefroren und hier ist eine echter Daunenmantel viel günstiger, ich habe bald Geburtstag, auf Weihnachten wünsche ich mir nichts» und so weiter und so fort. Ich habe keine Chance, mich zu wehren, der allerschönste, wärmste, modernste und tollste Mantel wird gekauft. (Er sieht übrigens wirklich toll aus…). Also nochmals zur Kasse und nochmals die Kreditkarte zücken.
Mit stolz trägt meine Holde Kundigunde ihr neustes Stück und wir machen noch ein paar Drohnen-Fotos auf dem Campingplatz mit dem dunklen Meer im Hintergrund.
welches Kleidungsstück tauchte noch nie auf einem Foto auf?
Und dann kommt noch das viel grössere Drama: Beim Blog schreiben will ich die Fotos anschauen und auslesen. Wo ist mein Fotoapparat? Das ganz Knutschi wird auf den Kopf gestellt, kein Fotoapparat! Ich habe ihn wahrscheinlich an der Kasse des Shops vergessen. Nur die Schuld dieses Mantels, ich könnte die Wände hinauf! Also sofort zurück, aber der Shop ist schon geschlossen. Mist, keine Fotos von meinem Fotoapparat heute, also müssen die Fotos von der Drohne und Anita’s Handy herhalten.
Ich nerve mich gewaltig über meine Schusseligkeit! Hoffentlich ist mein Fotoapparat morgen im Shop noch nicht verkauft!
Sonnenaufgang 9.56 Uhr, Untergang 13:42 Uhr, Tageslänge 4:46 Std (mit Zeitverschiebung)
stark bewölkt, -22 Grad bis -4 Grad
30.1.2025 - Also wirklich lieber Rolf, wieviele mitteleuropäische Männer haben schon die Gelegenheit, ihrer Holden im Januar am Eismeer ein so tolles Kleidungsstück zu kaufen? Ja eben, du bist ein Glückspilz! Gruss und jetzt rauf ans NK. Andreas&Pirkko
Andreas
31.1.2025 - Jetzt bin ich auf Anitas Bericht gespannt.
Michael