Rettungsaktion, Bärenhöhle und Sauna
Das Loch im Fluss
Gestern spät abends hatten wir noch ein junges französisches Pärchen bei uns im Womo als Gast. Sie haben ihren gemieteten PW im Schnee versenkt und versuchten verzweifelt mit den Händen das Auto zu befreien. Als ich ihr Malheur bemerke, eile ich natürlich gleich zur Hilfe, ausgerüstet mit Antirutschmatten, Schneeschaufel und Taschenlampe. Ihr Erleichterung war ihnen im Gesicht anzusehen, aber trotz gemeinsamen Bemühungen brachten wir das Fahrzeug nicht aus dem Schneeloch. Zu weit waren die Antriebsräder eingesunken, zu fest sass das Auto auf dem Unterboden auf dem Schnee, die Räder hatten keinen Gripp mehr. Der Pannendienst kam erst, als die beiden via Kreditkarte 465 € überwiesen haben, aber gar nicht so einfach mit leeren Handybatterien, kein Internet und -9 Grad. Also lud ich die beiden in unser Knutschi ein, Handy laden, Körper aufwärmen und als dann eine Stunde später endlich der Pannendienest da war, war das Auto schnell wieder auf der sicheren Strasse. Aber das ging nicht mit einem normalen Rausziehmanöver: gemäss Abschleppdienst chancenlos, da sowiso alle Räder auch vom Abschleppwagen durchdrehen. Der Abschleppdienst zog das Auto mit einer kleinen Seilwinde heraus, die am stehenden Abschleppwagen befestigt war. Man lernt immer wieder dazu.
Heute Morgen sah dann unser Knutschi aus, wie ein Schneemobil am Nordpol nach zwei Wochen klaren Nächten: überall war glitzernder, dicker Reif, es sah aus, als ob es – 50 Grad wäre. Also alles abwischen und startklar machen.
Es ging wieder mal durch weisse Landschaften auf weissen Strassen, bei einem Rastplatz machen wir kurz halt. Kiosk und Restaurant geschlossen, der Naturlehrpfad zur Bärenhöhle und Aussichtspunkt durch Tiefschnee aber erreichbar. Über Holztreppen unter dem tiefem Schnee geht’s bergauf, an Infotafeln vorbei, in eine Bärenhöhle und weiter hinauf zum Aussichtspunkt. Wir schwitzen ziemlich, als wir oben sind, geniessen aber die Aussicht über unendliche verschneite Wälder. Runter geht es dann einfacher und im Knutschi heisst es dann wieder, Winterschuhe ausziehen, Fahrbereit machen und weiter.
In Inari fahren wir durch. Für alle, die uns nun Kulturbanausen vorwerfen, weil wir weder das Sami-Museum noch das Parlament der Samen besichtigen, können wir beschwichtigen: Wir haben dies schon gesehen und zollen diesem Volk grossen Respekt. In unserem Radio laufen sogar während der Fahrt Joiks und wir haben schon einige Filme (auch Spielfilme) über und von Samis geschaut. Wir haben also kein schlechtes Gewissen, wenn wir in der «Hauptstadt» der Samen einfach durch fahren.
Etwas später sind wir wieder auf einem Rastplatz bei einem Denkmal, dass an den Lapplandkrieg hier oben ganz im Norden während dem 2. Weltkrieg erinnert. Das Denkmal ist 200m von der Strasse weg, könnten auch nur 100m sein, aber ich mache mich da alleine auf den Weg, da es Anita bevorzugt, im warmen Knutschi zu bleiben.
Mit jedem Schritt gräbt sich meine Schuhspitze tiefer in den harten Schnee, der wie ein kalter Wächter mein Vorankommen erschwert. Der eisige Wind beisst in meine Wangen, als ob die Natur selbst mich herausfordern wollte. Die Kälte kriecht durch jede Schicht Kleidung, ein ständiger Begleiter, der mich an die Härte dieser Expedition erinnert. Doch ich kämpfe weiter – unaufhaltsam, unbeugsam. Als ich endlich das Kriegsdenkmal erreiche, ist es, als würde die Zeit stillstehen. Die Tafel vor mir scheint Geschichten von längst vergessenen Helden zu flüstern, ihre Worte tanzen in der frostigen Luft. Ich mache ein Foto, meine Hände zittern nicht nur vor Kälte, sondern vor Ehrfurcht. In diesem Moment fühle ich mich wie ein Pionier, als hätte ich als erster Mensch den Winter besiegt, um an diesen Ort zu gelangen.
Na ja, dieses Denkmal ist nun nicht gerade der Touristenhotspot und auch für die Bevölkerung hier anscheinend nicht immens wichtig, denn ich lege die ersten Spuren in diesen Schnee, von geräumt kann keine Rede sein…
Kurz danach biegen wir links ab Richtung Norwegen. Die kommende Strasse ist wieder mal der Hammer: absolut keine Autos, Hügel hoch und runter, alles weiss, einfach toll. Wir geniessen es und stellen unser Knutschi auf einem Hügel mitten auf die Strasse, um ein paar Fotos zu machen. Auf 30Kilometern haben wir gerade mal ein einziges Auto gesehen.
Nach diesen 30 Kilometern sehen wir ein Schild zu einem Campingplatz im Nirgendwo und unter dem Wegweiser ein Schild «open». Das ist was für uns, Blinker raus und schon sind wir an der Reception. Freundlicher Empfang, herzig gemacht, sogar eine Rentierfarm ist angegliedert und die Bemerkung der Chefin: «falls Rentiere auf dem Platz umherlaufen, sie sind nicht gefährlich, sobald wir zu nahe kommen, trotten sie davon!» Das ist doch mal eine Aussage, endlich keine bissigen und gefährlichen Rentiere…
Der Campingplatz ist fantastisch, die Sauna haben wir gleich gebucht und das geschlagene Eisloch im Fluss, um nach der Sauna abzukühlen, ist auch für die Benützung frei. Tja, mal schauen, wie weit wir kommen.
Auf dem Platz gleich neben uns sind dann auch noch Sonja und René, diesen beiden folgen wir auf Findpenguin und sie kurven schon über ein halbes Jahr in Skandinavien umher. Sie haben sicher noch ein paar Tipps für uns!
Und dann, als es 18 Uhr war und wir das Blockhaus der Sauna betreten, sind wir wie im Paradis. Erster kleiner Raum die Umkleide, also Kleider weg und durch die nächste Tür in einen warmen Holzraum. Ein grosser Holzofenwaschtrog mit ganz heissem Wasser und ein grosser Trog mit kaltem Wasser, dazu kleine und grosse Becken und Schöpfkellen, wo man sich nun das Waschwasser nach Temperatur selber zusammenmischt und dann über den Kopf leert und sich gründlich wäscht. So wie es die Finnen seit hunderten von Jahren machen. Danach betreten wir die heisse Sauna mit Fenster in die Winterlandschaft. Was für ein Wohlgenuss. Nach dem ersten Gang dann raus in den Schnee, 10m auf den Fluss laufen, den grossen Holzdeckel öffnen und dann ist es da, das schwarze Loch mit ganz viel sehr kaltem Wasser! Hinabsteigen oder nur den Fuss reinstecken? Nichts da, rein! Und tatsächlich, wir sind nun echte Finnen. Anita etwas mehr wie ich, aber wen interessieren Details? Danach sofort wieder in die heisse Sauna, damit wir wieder richtig heiss kriegen.
Danach gehen wir nochmals in den Fluss und nochmals aufwärmen. Dann ist es Zeit, in die Holzjurte zu schreiten und die finnischen Servelats mit Sonja und René bräteln, Räubergeschichten erzählen, Tipps austauschen. Ein wunderschöner, finnischer Tag geht mit gefrorenen Cola und gefrorenem Wein zu Ende.
Sonnenaufgang 9:50 Uhr, Untergang 14:46 Uhr, Tageslänge 4:56 Std
bewölkt, -5 bis -7 Grad
28.1.2025 - Giellajohka, einer unserer Liebligsplätze. Gemütliches Restaurant mit feinem Hecht. Im Sommer fische ich im Fluss. Weiter nach Karigasniemi, wo sich unsere Wege vermutlich trennen. Weiterhin gute Fahrt und viel Spass.
Ueli