Ein Abendspaziergang mit vielen neuen Eindrücken
Der Weg ins Dorf
Gegen fünf Uhr gestern Abend wollen Anita und ich noch ins nahe gelegene Dorf. Der Campingplatzbesitzer erklärt uns, wo es durch geht: aus dem Campingplatz heraus, dann der Mauer entlang und dann die Piste immer geradeaus. Ganz einfach.
Wir sind im Offroadbereich, Piste werden die Strassen genannt, die nicht befestigt sind. Also laufen wir los. Die erste Abzweigung des sandigen Weges finden wir ohne Probleme, dann geht es zwischen Palmen Richtung Dorf. Allerdings alle 100m zweigt wieder eine andere Piste in irgendeine Richtung ab und geradeaus geht keine. Nach etwa 15 Minuten erreichen wir dann das Dorf, sicher nicht auf dem küzesten Weg, aber immerhin. Zwischendurch kommen uns noch zwei Hirtinnen mit einer Ziegenherde und zwei Esel entgegen.
Im Dorf fühlt man sich dann 1000 Jahr zurückversetzt, viele verfallene, kleine Lehmhäuser, aber Kinder spielen auf der Strasse und auch die Frauen sind unterwegs Richtung oberen Teil des Dorfes. Alle sind verschleiert, nicht mehr mit den farbigen Gewändern, sondern der Schleier ist nun bei allen Schwarz. Wir laufen einfach die Richtung, die die Frauen auch gehen. Sie sind freundlich, tratschen untereinander, grüssen uns mit einem freundlichen „Bonjour“ obwohl es Abend ist, und kichern jeweils, wenn wir vorüber sind. Irgendwie sehen wir wohl nicht standesgemäss aus. Auch die Kinder sind überfreundlich und geben uns sogar die Hand. Wahrscheinlich erwarten sie irgendein Trinkgeld, aber keines getraut sich, uns zu fragen oder gar zu betteln. Sie gehen aber alle Leer aus, denn einfach so Geld oder anderes verteilen wir nicht, das gibt es nur für eine Gegenleistung.
Die Menschen auf den Strassen vermehren sich, die Männer sitzen vor den Häusern, Flicken uralte TV-Geräte oder trinken Tee, die Frauen laufen Richtung Dorfzentrum. Als wir dort ankommen, gibt es etwa sechs- sieben Markstände, d.H. Händler haben ihre Sachen auf Tüchern am Boden ausgelegt. Die Frauen mit ihren Kindern sind alle dort, stehen um die Händler rum und kaufen Dinge, die eher nach Occasionen aussehen. Es ist ein reges Treiben am Ende der Welt zwischen Lehmruinen und Staub. Als ich die Situation mit einem Foto einfangen will, rücken einige erschrocken zurück und drehen sich blitzschnell um. In alten muslimischen Gemeinschaften stiehlt man einer Person die Seele, wenn man sie fotografiert. Anscheinend sind sie hier viel religiöser wie in den bisher gesehen Ortschaften. Darauf schliesst auch, dass alle nur schwarze Kopftücher tragen und der Muezzin, der vom Minarett die Beetgesänge vorträgt, hier nicht einfach nur ein Lautsprecher ist, sondern eine wirkliche Person auf dem Minarett. Und die Gesänge dauern hier nicht einfach zwei-drei Minuten sondern eine geschlagene halbe Stunden.
Fortan bleibt auf dem Markt der Fotoapparat unten und ich mache keine Fotos mehr. Wir kaufen bei einem Gewürzhändler ein halbes Kilo Paprika, halbes Kilo Curry, 250g Ingwer und ein halbes Kilo Linsen, alles zusammen 4.50 €. Danach machen wir uns wieder auf den Weg zurück.
Beim Dorfausgang wird es dann schwierig. Welche Piste ist es jetzt genau? Wir haben keine Übersicht mehr, wissen nur noch die ungefähre Richtung. Da Entdeckt Anita im Sand ihre Sandalenspuren vom Hinweg. Wir sind gerettet und so laufen wir wie Fährtenleser den eigenen Spuren nach nach Hause. Es wird nur dort knifflig, wo wir der Ziegenherde begegnet sind, aber auch das meistern wir perfekt und treffen wohlbehalten beim Campingplatz ein.
Der Besitzer lädt uns zu einem Tee ein und erklärt voller Stolz, dass er ein richtiger Berber ist, schon immer hier gelebt hat und nie weg will. Immerhin kann er einigermassen Französisch, wenn das hier auch nicht selbstverständlich ist. Das Wüstenvolk der Berber hat ihre eigene Sprache und eigene Schrift. Wir schenken ihm dann noch einige mitgebrachte Schweizer Schoggi-Brügeli, was ihn sichtlich freut.
Danach müssen wir uns beeilen, denn es ist schon stockfinster und wir wollen noch auf unsere Tajine kochen. Mit Holzkohle ist schnell ein Feuer gemacht (wie gut das in diesem Stöfchen brennt!) und lassen es uns bis weit in die Nacht schmecken, sitzen um das kleine Lagerfeuer und erzählen uns von allen möglichen Dingen. Wie richtige Berber eben.
Vorbereitung Abendessen und der Schuhabdruck, der uns rettet