Ein ruhiger Tag mit ein bisschen Nervenkitzel, der immer grösser wurde…
Erholung nach der Anstrengung
Wir gehen es ruhig an und schlafen aus. Auf dem Campingplatz Morteratsch ist ziemlich Hektik heute, An- und Abreisetag. Uns betrifft es nicht, wir beschlossen, nochmals bis Morgen hier zu bleiben. Heute wollen wir den oberen Teil des Klettersteiges La Resgia noch nachholen, da wir diesen letzten Sonntag gar nicht mehr begonnen hatten.
Also fahren wir gemütlich auf den Radwegen nach Pontresina und lösen dort eine Berg- und Talfahrt mit der Sesselbahn. Hinauf zu wandern ist uns irgendwie zu heiss und runterlaufen haben wir schon jetzt keine Lust. Auch hier werden wir an der Talstation in ein nettes Gespräch mit dem Angestellten verwickelt, da unsere Kreditkarte den Geist aufgibt (zu wenig Geld auf dem Konto). Es ist uns hier schon mehrfach aufgefallen, die Leute sind sehr freundlich, ob bei den Bergbahnen oder in den Geschäften. Liegt das an uns, weil wir auch eher gesprächig sind? Die Einheimischen meinen nur, das dies damit zu tun habe, dass das Engadin seit Generationen ein offenes Tal ist und immer schon ein Kommen und Gehen war und man sich so die Offenheit eben in den Genen hinterlegt sei. Na, wir glauben auf jeden Fall, dass dies so ist, da Anita und ich extrem freundlich und sympathische Menschen sind ;-). Egal, wir geniessen die Bergfahrt an der warmen Luft zur Alp Languard. Von dort müssen wir 5 Minuten runter und wieder 10 Minuten hoch laufen, bis wir beim Einstige in den Klettersteig sind.
Momentan die Zeit der blühenden Alpenrosen
Gstältli, Helm und Handschuhe anziehen, alles kontrollieren und los in den Felsen rein. Irgendwie finden wir diesen Teil des Klettersteiges ziemlich schwieriger (ich wenigstens), es ist Nervenkitzel pur, wenn ich keine Griffe im Fels vorfinden und die Arme zu brennen beginnen, weil ich zu wenig Kraft habe. Und wenn man runterschaut, geht es senkrecht bis auf den Boden. Irgendwann nach einer Felstraversierung kommt eine Seilbrücke, das heisst, es hat unten ein Seil für die Füsse und oben zwei Seile, um sich daran zu halten, sonst gar nix. Im Seilpark vor einigen Tagen war das ja noch irgendwie easy, aber jetzt in den Bergen, wo unter dir die nächste Alp ganz klein erscheint, schon etwas anderes. Aber ich schaffe das irgendwie und danach kommt ein für misch schwieriger Übergang und senkrecht hoch. Ich habe echt Mühe, bin klitsche Nass vor (Angst-)Schweiss und schaffe es mit den letzten Kraftreserven zum Ende. Erst hier oben merke ich, dass ja Anita auch noch hinter mir ist, und die das nie schaffen wird. Aber schon steckt sie den Kopf über die Kante und klettert zum Ausstieg. Ich konnte in dieser Phase kein einziges Foto von ihr machen, das habe ich völlig verschwitzt in meinem Stress. Und sie hat seelenruhig mich fotografiert, wo ich doch fast abgestürzt bin.
Echt jetzt, ich bin oben total geschafft und fix und fertig, aber wir geniessen die Sonne auf einer schönen Bank, bevor wir wieder im Sessellift zu Tale fahren.
Wieder beim Womo sitze ich nur noch halb tot in meinem Campingstuhl, schone meine Arme und versuche, mich zu erholen, währenddem Anita unser Nachtessen vorbereitet.
Ich sage es euch: es war echt gefährlich und streng, auch wenn ich gesichert war und eigentlich nicht abstürzen konnte. Aber in diesem Moment vergisst man das völlig und starrt nur unter sich in den Abgrund und sieht sich schon irgendwo am Fels zerschmettern, während dem die Arme zu zittern beginnen. Und Anita macht seelenruhig Fotos und sagt danach: war ja gar nicht so schlimm!