Die Halbwüste mit dem Wohnmobil
Heute erwache ich etwas nervös, denn heute ist der Ort, an den ich unbedingt wollte. Unser erstes grosses Ziel auf der iberischen Halbinsel. Und ich habe nicht allzu viele Infos darüber gefunden, müssen uns also etwas überraschen lassen.
Dieses Biosphären-Reservat ist ab 8 Uhr geöffnet, das Besucherzentrum erst ab 9 Uhr. Und da sich der Stellplatz gestern Abend noch überfüllte und jetzt im November immer noch zu klein ist, rechnen wir mit sehr vielen Besuchern in dieser Halbwüste.
Also um 7 Uhr raus aus den Federn, Knutschi abfahrbereit machen und die ca. 5 km vom Stellplatz zum Besucherzentrum und damit dem Eingang zum Park in Angriff nehmen. Kurz bevor wir zum Eingang kommen, erleben wir den Sonnenaufgang und schiessen die ersten Fotos. Beim Besucherzentrum sind wir kurz nach 8 Uhr, noch alles geschlossen, kein Mensch und kein Fahrzeug weit und breit. Also fahren wir nun alles dem geteerten Strässchen in den Park hinein (es gibt kein Tor oder Schranke oder ähnlich), bis wir vor der Militärstation sind und nun die Wahl haben, links oder rechts auf die Schotterpiste. Diese umrundet die «La Blanca Baja», das Herzstück der Bardenas Reales. Welchen Weg nehmen wir, links oder rechts? Rechts wäre richtig, aber das wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht und entscheiden uns für Links, also im Uhrzeiger rum. Später im Besucherzentrum sagen sie uns, dass man gegen den Uhrzeiger fahren soll…
Die Schotterpiste ist schottrig und rüttelig, meistens geradeaus durch eine Landschaft, die irgendwo in Amerika sein könnte. Nur die Indianer fehlen. Wir halten alle paar Kilometer, können uns nicht sattsehen und fotografieren in dem fantastischen Morgenlicht die Finger wund. Wir sehen kein einziges Auto oder andere Menschen, sind total alleine.
Rechts ein Gebirge mit den abgeplatteten Spitzen, dann die Felsformationen, die oben breiter sind wie unten, staubtrocken, blauer Himmel; und schottrig. Wir fahren ca. 20km/h, schneller geht es nicht, obwohl wir keine Angst haben müssen, stecken zu bleiben. Den Weg darf man mit dem Fahrzeug nicht verlassen, auch die Lehmhügel darf man weder besteigen noch mit dem MTB befahren. Es ist alles Naturschutzgebiet und das Zentrum wegen des Militärs gesperrt. Die spanische Flugwaffe trainiert hier Zielangriffe mit Betonbomben, die nicht explodieren. Heute haben sie allerdings Trainingsfrei, wir sehen nicht einen einzigen Flieger.
Wir sind begeistert und es steigert sich noch, als wir das Wahrzeichen des Parkes anfahren, den Cabezo de Castildetierra. Eine aufragende Lehmspitze, die dem Park als Logo dient. Noch immer haben wir die gesamte Gegend alleine, können unser Knutschi für Fotos platzieren, wie wir wollen. Einmal von links, dann von rechts. Der Fotoapparat glüht.
Dann geht es weiter, immer der Strasse nach, es holpert und rumpelt, Wüstenfeeling pur! Auch der Wind ist wie in der Wüste, ziemlich stark und sau kalt, es hat ca. 7 Grad, und hin und wieder weht es so ein trockener, runder Stachelbusch über den Weg. Wie beim Filmklassiker, Spiel mir das Lied vom Tod! Genau so sieht es aus, nur dass wir ganz alleine sind.
Es zieht sich, weit vorne die Rumpelpiste. Und dann, nach 23km kommen uns zum ersten Mal fünf Fahrzeuge entgegen, bevor wir es nach 25 km Schotterpiste geschafft haben und wieder bei der Militärstation auf den Teerweg abbiegen.
Sollen wir noch eine Runde machen?
Nein, wir geniessen die Ruhe auf der befestigten Strasse und fahren zum Besucherzentrum zurück. Dort wird uns eine Karte ausgehändigt und erklärt, wo wir durchfahren sollen und in welche Richtung es geht. Der Park ist von 8 Uhr bis eine Stunde vor Sonnenuntergang geöffnet (aktuell im November bis 17 Uhr), man darf die Wege nicht verlassen und auch nicht im Park übernachten. Wir haben also fast alles richtig gemacht.
Es war eine der tollsten Fahrten, die wir bis anhin gefahren sind. Ein Abenteuerfeeling kam aber nicht auf, da wir uns in einem geschützten Bereich aufhielten und nichts passieren kann, man würde also auch gerettet werden, falls man einen Platten hat. Der Faszination brachte dies aber keinen Abbruch (auch wenn in Marokko der Nervenkitzel doch etwas grösser war).
Fazit: diese Tour muss man unbedingt machen und es geht mit dem eigenen Womo problemlos, fals man kein Porzellangeschirr hat.
Es gibt noch andere befahrbare Wege und andere Eingänge in den Naturpark, aber hier ist man im Zentrum und daher wahrscheinlich am faszinierendsten, obwohl wir die anderen Teile nicht gesehen haben und auch nichts darüber sagen können.
Wir fahren zurück auf den inzwischen leeren Stellplatz an Arguedas und sortieren unsere Gedanken. Es ist erst 11:30 Uhr, wie weiter?
Wir frühstücken zuerst mal ausgiebig und entscheiden uns dann, 50km nach Olite zu fahren. Dort soll es einen Stellplatz nahe im Zentrum des kleinen sehenswerten Städtchens geben.
Wir brauchen keine Stunde, bis wir dort ankommen und das Womo platziert haben. Es sind zu Fuss keine 100m und schon sind wir innerhalb des alten Städtchens und der Fussgängerzone. Die Gässchen sind herrlich eng, der Marktplatz in Zentrum belebt, oval und wunderschön, das Beste aber ist das Stadtschloss: wenn ich ein Schloss zeichnen müsste, würde es genau so aussehen! Runde und eckige Türme, dicke Schlossmauern und zuoberst eine knallrote Fahne! Direkt ans Städtchen angebaut und darum auch endlich mal viele Menschen und Touristen.
Es sieht so aus, als ob wir hier dann abends mal schön essen gehen…
Ein weiterer toller Tag in einem tollen Land. Morgen werden wir ins Baskenland fahren, wo alles baskisch angeschrieben ist und man kein Wort mehr versteht. Schon hier heisst das Städtchen Olite auf Baskisch Erriberri. Fast gleich, oder?
6.11.2021 - Toller Bericht. Danke. Sind vor ein paar Wochen in Pamplona gewesen sehenswerte Stadt. Stierkämpfe sind zwar nicht unser ding. Viel vergnügen der Norden ist ja sehr schön halt kalt jetzt. Sind jetzt im Süden unterwegs.
Roth Margrit u. Viktor
16.11.2021 - Sehr schöner Bericht! Wir waren genau eine Woche zuvor auf dieser Halb-Wüstenrunde. Danach war das Geschirr optimal sortiert… Viele Grüße Jürgen
Jürgen