Unsere positiven Erfahrungen mit einem Schleuderkurs extra für Wohnmobilisten.
Wir fahren kurz nach 18 Uhr durch das schmale Tor des Testgeländes in Regensdorf. Wir sehen schon andere Wohnmobilisten mit ihrem Gefährt dort stehen und werden sofort freundlich von Markus und Andreas, den beiden Kursleitern, begrüsst. Ein Platz auf dem Testgelände wird uns zugewiesen und Strom steht schon bereit, im Nu sind wir eingerichtet.
Der Kaffeeautomat im Pausenraum läuft schon auf Volltouren, alle bisher angekommenen Gleichgesinnten sind dort schon rege am Diskutieren, schnell sind Bekanntschaften geschlossen und Reisetipps ausgetauscht. Draussen klart das Wetter etwas auf und der Regen hat aufgehört. Ich benutze diesen Moment, um zu Fuss einen Rundgang über das Testgelände zu machen. Es ist wirklich schön angelegt, eine gerade Strecke mit Metallbelag, auch ein grosser Kreisel mit der gleichen Oberfläche, daneben eine Offroadstrecke und in der Mitte eine Trial-Motorrad-Piste. Es sieht sehr gepflegt aus und ich werde immer gespannter, was uns morgen an diesem Kurs erwartet.
Wieder zurück am Empfangsgebäude wird von den Kursleitern ein Grill herangezaubert und schnell ist dieser mit Fleisch von allen Ecken der Schweiz belegt. Da es wieder zu regnen beginnt, wird der Schulungsraum kurzerhand in einen Speisesaal verwandelt und wir sitzen bis spät abends dort zusammen und erzählen unsere Storys aus unserem Womoleben. Wir erfahren, dass die Kursleiter selber Wohnmobilisten sind und heute sogar mit ihrem eigenen Womo auf dem Gelände übernachten, obwohl sie keinen weiten Arbeitsweg haben. Wenn wir in dieser Runde jetzt hören, was für Fahrzeuge auf dem Testgelände schon gebrannt haben, dass Geldtransporter gekippt sind und Polizei-BMW’s geschrottet wurden, wird mir etwas angst und bange um unser Knutschi! Ob ich diese Nacht gut schlafen werden?
Auf alle Fälle bin ich morgens um 7:45 Uhr noch nicht wirklich ganz wach, als man sich schon wieder im Vorraum trifft und um 8 Uhr der Kurs pünktlich im Schulungsraum beginnt. Erste Frage: was haben wir persönlich für Ziele für diesen Kurs? Mmhh… Ich möchte etwas für meine Fahrkompetenz lernen und ganz ehrlich, ein tolles Foto von einem schleudernden Wohnmobil wäre schon nicht schlecht (aber das sage ich in dieser Runde natürlich nicht öffentlich). Es gibt einige teilnehmenden Frauen, die besser rangieren oder auch nur mehr Selbstvertrauen aufbauen wollen, wenn sie mit dem Wohnmobil selber fahren. Die Kursteilnehmerschar ist bunt gemischt, Anfänger und alte Hasen halten sich in etwa die Waage.
Der Kurs ist übrigens für 12 Teilnehmer, ich selber bin als Teilnehmer angemeldet, meine Anita nur als Beifahrerin. Es gibt aber auch Ehepaare, die beide als Teilnehmer den Kurs bestreiten.
Nach der kurzen Vorstellungsrunde geht es gleich ans Eingemachte: Sitzeinstellungen. Klar schaue ich zwischendurch, dass die Kopfstütze die richtige Höhe hat und ich immer im richtigen Abstand zu den Fusspedalen sitze. Aber dass man zuerst die Sitzhöhe, dann die Rückenlehne und Kopfstütze und erst dann den Abstand zu den Fusspedalen einstellt, ist mir ziemlich neu. Dass mit der richtigen Sitzstellung im Fahrzeug die allermeisten Verletzungen arg reduziert oder gar vermieden werden könnten, leuchtet nach den Erklärungen von Markus so ziemlich ein. Da habe ich in den letzten Jahren wohl geschlampt und einfach nur Glück gehabt. Bestätigt wird dann dies etwas später, als wir im Autosimulator eine Vollbremsung machen müssen. Ziel dabei: eine schnelle Reaktionszeit und 100kg druck sofort auf das Bremspedal bringen. Tönt ziemlich einfach. Aber alle haben diese einfachen Vorgaben nicht im ersten Versuch geschafft, bis ich an die Reihe komme. Als ehemaliger Radprofi habe ich viel Kraft in den Beinen und da ist es wohl für mich ein Klacks. Sitz einstellen, losfahren und warten, bis die Ampel auf rot zeigt. Voll Druck auf das Bremspedal und aus dem Lautsprecher quietscht und kracht es. 0.35Sek Reaktionszeit, Druck auf dem Bremspedal 35kg und 47m Bremsweg. Schöne Schlappe, und als mir Andreas dann auch noch sagt, dass ich so Fuss-, Knie- und Hüftgelenkt gebrochen hätte, ist das ziemlich peinlich. Ich sitze zu weit hinten, bei der Vollbremsung habe ich das Bein ganz durchgestreckt und beim Aufprall keine Chance, irgend etwas abzufedern. Beim dritten Versuch erfülle ich dann alles, richtige Sitzposition, wieder 0,35 Sek Reaktionszeit, 107kg Druck auf das Bremspedal und der Bremsweg ist nur noch 16m. Na schon besser, oder?
Dann geht es zu den Autos, die zur Verfügung gestellt werden. In jedem Auto zwei Kursteilnehmer, durch Funk mit dem Kursleiter verbunden. Wir warten angespannt, bis wir auf der geraden Metall-Strecke mit 30km/h einen einfachen Spurwechsel durchführen sollen. Voll easy. Was wir aber nicht wissen, bei diesen Fahrzeugen sind die elektronischen Fahrassistenten abgestellt und auf den Hinterrädern abgelaufene Pneus montiert. Und bei diesem einfachen, langsamen Manöver verliert jeder Teilnehmer das Auto so dermassen, dass jeder mindestens drei Pirouetten dreht. Und jeder, aber wirklich jeder, schaut mit den Augen auf das Hindernis und hat keine Chance, heil durch zu kommen.
Danach lernen wir, wohin wir die Augen richten müssen und was man noch machen kann, wenn das Fahrzeug ins schleudern kommt. Bei den nächsten Versuchen geht es jeweils immer ein bisschen Besser und am Schluss können wir so einen Spurwechsel wirklich durchführen. Es ist schon krass, wie viel etwas Übung ausmachen kann.
Nach dem Mittagessen sind wir dann mit dem eigenen Wohnmobil an der Reihe und uns bleibt der Atem im Halse stecken, als Markus erklärt, dass wir nun die gleiche Übung mit 50km/h und unserem eigenen Wohnmobil machen müssen. Aber es soll halb so schlimm sein, schliesslich haben wir gute Pneus drauf und haben auch elektronischen Fahrassistenzen. Aber ganz ehrlich, wirklich beruhigt uns diese Aussage überhaupt nicht!
Mit ziemlich mulmigen Gefühl besteigen wir die Womos und erhalten wieder per Funk unsere Instruktionen.
Zuerst eine starke Bremsung auf Asphalt, damit die ganze Ladung und der Haushalt mal bewegungssicher verstaut wird. Anita springt natürlich grad auf und räumt unser Womo in Windeseile noch ganz fertig auf. Dann fahre ich los und Bremse ziemlich stark am markierten Ort. Nichts scheppert alles ok. In der zweiten Runde ist eine Vollbremsung dran. Meine erste Vollbremsung mit dem Womo… Dabei schepperst dann doch ein wenig in den Kästchen, aber fast augenblicklich steht unser Womo. Buhh, gut gegangen. In der dritten Runde sollten bei der Vollbremsung zwei Räder auf Asphalt und zwei auf der Eisenfläche stehen (die Eisenfläche simuliert Eis). Der Bremsweg ist dadurch schon mehr als doppelt so lange und das ABS rüttelt ziemlich stark am Fusspedal. Aber unser Knutschi bleibt kerzengerade auf der Strasse stehen. Die vierte Runde wird dann mit allen Rädern auf dem Eis absolviert. 50km/h beschleunigen, auf die Eisfläche und Vollbremsung. Denkste. Unser Knutschi rutscht einfach weiter und weiter und weiter und weiter. Ende der 72m langen Eisfläche kommt dann wieder Asphalt und erst dort spüre ich eine Bremswirkung und unser Knutschi kommt zum stehen. Echt krass!
Das im Video ist tatsächlich eine VOLLBREMSUNG! Simuliert auf Eis mit Sommerpneus.
Wir haben dann Glück, dass noch ein Womo von einem Kursteilnehmer mit Winterpneus und ein anderes mit Allwetterreifen ausgestattet ist. Es sind krasse Unterschiede, einfach unvorstellbar! Das mit Winterpneus steht in der Hälfte der Eisfläche still, ich schätze gerade mal etwa einen viertel des Bremsweges von unserem Knutschi. Auch die Allsaisonreifen des anderen Teilnehmers ist wohl besser wie unser Knutschi, aber viel schlechter wie das Winterpneu bereifte. Da steht für mich schnell fest, im Winter nur mit Winterpneus, Allwetterreifen kommen für mich nicht in Frage und falls es mit Sommerpneus mal schneit, fahren wir keinen Meter mehr…
Die nächste Übung ist dann auf der Eisfläche bei einer Vollbremsung auszuweichen. Bremswirkung gleich null, aber das ABS arbeitet so gut, dass wir problemlos einem Hindernis ausweichen können, ohne dass wir ins schleudern geraten. Ich bin stolz auf unser Knutschi.
Danach geht es auf den eisigen Kreisel, wo wir so schnell fahren dürfen, wie wir wollen. Mein erster Versuch ist natürlich viel zu schnell, obwohl ich nur 30 km/h fahre. Mein Womo rutscht einfach geradeaus, also voll auf die Bremsen, bis wir stillstehen. Nichts passiert, aber die Kurve hätte ich niemals erwischt. Und dann das erstaunliche: nach dem vierten Versuch mit gleicher Geschwindigkeit bringe ich unser Knutschi um die Kurve rum. Klar, es rutscht zwischendurch noch immer, aber mit richtigem Bremslösen und wieder bremsen, den Blick an den richtigen Ort, geht es tatsächlich. Aber auch klar, wenn jetzt da vier echte Bäume stehen würden und ein LKW entgegenkommt, würde ich wahrscheinlich sofort wieder in Panik verfallen und alles falsch machen. Aber ich werde mich an der Nase nehmen, dass so eine Situation nie eintrifft.
Danach kommt ein Geschicklichkeitsparcour mit dem Womo, mit wirklich allem, was man sich so denken kann: rückwärts um die Kurve Slalomfahren, seitwärts einparkieren, Grösse des Womo schätzen, auf Keile fahren, Bretter treffen, nahe an ein Hindernis hinfahren, Womo wägen (scheisse, meines ist immer noch zu schwer), Zeichen beim einparken geben und noch vieles mehr.
Ganz am Schluss geht es noch um Ladungssicherung (muss mir noch zwei Spanngurte kaufen, um da zu optimieren) und wir erhalten ein Massblatt über die Dimensionen unseres Womos. Schlecht: es ist fast voll beladen immer noch 100kg zu schwer. Positiv: es ist nur 2.95m hoch und nicht 3.05m wie ich immer gemeint habe.
Ich empfehle diesen Kurs wirklich jedem Wohnmobilisten. Es wird einem vieles ganz klar vor Augen geführt: Ladungssicherung, Sitzposition und Fahrverhalten, wie ungemein wichtig dies alles für die eigene Sicherheit ist. Und es wird auch drauf hingewiesen, sobald man unsicher ist, sollte man das Tempo verlangsamen, egal, wer hinten fährt und wie gedrängelt wird. Es geht um unsere Sicherheit und um unser Geld. Wenn wir auf einen hinter uns fahrenden Rücksicht nehmen, sagt uns niemand danke, wenn etwas passiert.
als Beifahrer kann man jeweils im Wohnmobil oder beim Schleudern mitfahren, aber nicht selber steuern. Man lernt dabei auch sehr viel, aber eben, selber ausprobieren geht dann nicht. Da Anita in der Spitex arbeitet und dadurch viel im PW unterwegs ist, wird sie sich an einen PW-Schleuderkurs anmelden. Für sie nochmals einen Womo-Schleuderkurs zu absolvieren, finden wir nun eigentlich nicht mehr nötig. Fühlt sich aber ein Ehepartner unsicher beim Womo steuern, sollten beide Personen als Teilnehmer diesen Kurs absolvieren.
Falls jemand einen Wohnmobil-Schleuderkurs machen will und die Kurse ausgebucht sind, unbedingt ein Mail an die ASSR schreiben, sie führen solche Kurse auch einfach durch, wenn genügend weitere Anfragen vorhanden sind.
Anmerkung in eigener Sache: Ich absolvierte diesen Kurs als Vorstandsmitglied des SCCV und musste ihn nicht bezahlen.
Nachtrag: nach der Vollbremsung mussten wir den Verlust eines Eis im Kühlschrank feststellen. Alles andere war noch ganz.
29.4.2019 - Danka Rolf für Dina indrücklicha Bricht.
Mathias
30.4.2019 - Danke vielmals für den tollen Bericht! Werden wir sicher auch absolvieren. Vielleicht bis bald mal irgendwo in dieser, noch immer, wunderschönen Welt. Liebe Grüsse Rolf und Silvia
Rolf Horlacher
30.4.2019 - Hallo zusammen da wir dabei waren, können wir diesen Beitrag voll unterstützen und den Kurs bei der ASSR Regensdorf wärmstens weiterempfehlen. Da sind wahre Profis am Werk. Nochmals vielen Dank für das super Wochenende. Grüsse
Thoberman
30.4.2019 - Nachtrag Bei unserer Vollbremsung wurde die Matratze vom Queensbett 50cm nach vorne verschoben und die Kopfkissen lagen auf dem Boden....der Rest....naja, wieder mal aufgeräumt.
Thoberman