Wir joggen zu einem Leuchtturm, sehen ein verwunschenes Schloss und stehen in einem 3000 Jahre alten Steinkreis. Was will man mehr?
Derreenataggart Stone Circle
Heute schlafen wir etwas aus und dann haben wir Besprechung mit Carina. Sie ist hier auf dem äussersten Zipfel dieser Halbinsel aufgewachsen, kennt jede Person und wahrscheinlich auch jedes Schaf hier, dazu alle Steine und alle Sehenswürdigkeiten. Keine Überraschung also, dass sie hier in der Gegend DIE Fremdenführerin ist. Sie spricht irisch, englisch, französisch und versteht deutsch, also die perfekte Person für uns. Und da sie ja sogar mit uns verwandt ist, bekommen wir natürlich eine Spezialführung nach unseren Wünschen.
Zuerst aber müssen wir Marc in Castletownbere, der einzigen Grossstadt in der Gegend (860 Einwohner) helfen, ein Pub einzurichten, das heisst, reparierte Stühle und Bänke dorthin transportieren und abladen. Machen wir natürlich gerne. Danach geht es einige Kilometer zurück und Carina zeigt uns das grösste Budda-Kloster in gesamt Irland. Ein Ort mit schönen Parks und unheimlicher Stille (wenn nicht grad die Baustelle für die Vergrösserung des Klosters wäre) und ganz toller Sicht über die gesamte Küste von Baera. Aus dem Gebetsraum mit Glasfront ist man sogar von Wind und Wetter geschützt und mit Corina dürfen wir diesen eben auch besuchen.
Danach zeigt sie uns die alte Ruine vom Schloss Dunboy. Sie erzählt, wie die Engländer ganz früher Irland und seine Schlösser zerstört haben, viele Iren ermordet haben und das Land die erste Kolonie der Engländer wurden. Dieses Schloss Dunboy war aber während der gesamten Zeit vom Pech verfolgt, bis heute. Im 19. Jahrhundert baute ein reicher Minenbesitzer ein neues Schloss einige 100m entfernt wieder auf, aber auch er hatte kein Glück und musste dann dieses Schloss aufgeben. Es stand lange leer, bis vor 15 Jahren Pläne da waren, daraus ein 5-Sterne-Hotel zu machen. Kaum begann man mit den Renovationsarbeiten, brach die Wirtschaftskrise in Irland aus und das Projekt wurde stillgelegt. Jetzt döst dieses Schloss vor sich hin, von Touristen abgesperrt und betreten verboten. Das Schloss ist riesig, das Gelände auch, abgesperrt ist aber schlecht. So benützne es viele einheimische Jugendliche heimlich, um sich da vor den Erwachsenen zu schützen und hin und wieder eine Fete zu feiern. Es ist der perfekte Ort, wenn man von einem «lost Place» (verlassener Ort) spricht, verboten zu betreten, irgendwie verwunschen und unheimlich. Dieses Schloss ist so vergessen, dass es nicht mal auf Google Maps zu finden ist. (51.633442, -9.929530). Wir hätten es alleine sicher nicht gefunden, auch mit Carina durften wir es leider nicht betreten (alleine hätten wir es vielleicht gewagt, die Neugierde ist extrem gross, wie so ein verwunschenes Schloss von innen aussieht).
Wir fahren dann etwas weiter zum Derreenataggart Stone Circle, einem kleinen Steinkreis, mit Sicht auf alle wichtigen Punkte der Umgebung: Bucht, Küste, Berge. Er markiert mit liegenden und stehenden Steinen die Sonnenphasen, Auf- und Untergänge und auch die Mondphasen, ein 3000 Jahre alter Kalender. In ganz Irland gibt es über 100 solcher Steinkreise die erhalten sind. Nicht, weil es hier mehr Steinkreise wie anderswo gab, sondern einfach, weil das Land über die letzten tausend Jahre sehr dünn besiedelt wurde und der Mensch viel weniger in die Natur eingriff und weniger Platz beanspruchte, wie anderswo. So blieben viele dieser altertümlichen Bauwerke eben erhalten. Carina hebt einen Stein, der das Zentrum markiert, legt ein kleines Geldstück darunter, pflückt eine Blume und klemmt sie wunderbar zwischen den Steinen stehend ein.
In der Nähe gibt es einen einheimischen Baum, der mit kleinen Tüchern, Bändern, etc behängt ist. Bisher meinten wir jeweils, dass sich an diesen Bäumen Abfall verheddert hat, aber dies sind alles kleine Gaben von Menschen, die sich etwas erhoffen. «Die Kelten haben dies vor der Christianisierung in Irland schon so gemacht, da man dort den Pflanzen übernatürliche Kräfte zusprach. Und trotz der Kirche und dem erzkatolischen Irland habe sich dieser Brauch bis heute bei den einheimischen Leuten erhalten» erklärt sie uns. Na dann sind die Iren irgendwie doch nicht so katholisch wie gedacht, wenn sich die keltische Bräuche bis in die heutige Zeit erhalten haben. Das dachte ich mir aber nur, ich getraute es nicht zu fragen…
Danach gibt uns Carina noch Tipps für das Städtchen, wo man was gut isst und was es Sehenswertes gibt. Und dann sagen wir frech: Geh du nur zu deiner Familie, wir machen den Ausflug auf Baere Island mit der Fähre alleine, den schönen Leuchtturm finden wir auch selber. Am Fischerhafen ist der Fahrplan der Fähre gross angeschrieben, 13:30 Uhr Abfahrt, 16:30 Uhr Rückfahrt, perfekt, um den Leuchtturm mit einem stündigen Fussmarsch hin zu besuchen und dann die Rückfahrtsfähre auch wieder zu erwischen.
die kleine Fähre auf Beare Island
Auf der Fähre erklären sie uns dann aber, dass die Rückfahrt nicht um 16:30 Uhr ist sondern um 15:15 Uhr, da noch der Winterfahrplan gelte. Ups, das könnte aber knapp werden. Wenn wir die viertelstündige Anfahrt einberechnen haben wir gerade mal 90 Minuten Zeit, hin und zurück zu laufen. Corina sagte, man habe etwa 45 bis 50 Minuten Fussmarsch bis zum Leuchtturm.
Also schauen wir auf die Uhr, stürmen bei Punkt 13:45 Uhr von der Fähre auf der Insel und wissen einfach, dass wir spätestens um 14:30 Uhr umdrehen müssen, um die Heimfahrt nicht zu verpassen. Wir marschieren also schnellen Schrittes in die vermutete Richtung, zuerst dem kleinen Strässchen entlang. Nach 15 Minuten sind wir am ersten Schafsgatter, das wir übersteigen müssen. Nun sind es schmale Wanderwege und nach weiteren 15 Minuten sehen wir den Leuchtturm immer noch nicht, auch nicht nach 35 Minuten und auch nicht nach 40 Minuten. Aber vorne ist eine kleine Landzunge, nach dieser müssten wir ihn sehen, 42 Minuten, nichts, aber weiter vorne ein kleiner Hügel, den wir bei 44 Minuten erreichen und sehen wieder nichts. Aber nochmals etwas vorne ein weiterer Hügel den wir bei 45 Minuten erklimmen.
Es ist Zeit, umzudrehen, aber wir sehen diesen Leuchtturm einfach nicht. Das kann doch nicht sein. Wenn wir heimwärts etwas joggen würden, könnten wir noch einige Minuten weiterlaufen. Also beginnen wir jetzt schon zur nächsten Biegung zu joggen und dann zur übernächsten und endlich, bei 49 Minuten sehen wir ihn vor uns an der Küste stehen, einsam, erhaben und weiss. Noch schnell ein paar Meter hinunterlaufen, Fotos knipsen und dann bei 53Min treten wir den Rückweg an. Jetzt haben wir noch 37 Minuten Zeit, für einen Weg, den wir 51 Minuten gebraucht haben.
Uns bleibt nichts anderes übrig, in Jeans und T-Shirt, die Jacken und er Pulli irgendwie unter dem Arm geklemmt, joggen wir heimwärts. Und beim Gatter, wo wir auf dem Hinweg 15 Minuten von der Fähre bis dorthin hatten, sind wir punktgenau 15 Minuten vor der Abfahrt. Wir haben also unseren Rückstand erfolgreich aufgeholt, joggen aber noch etwas weiter, so dass wir dann sagenhafte 4 Minuten vor Abfahrt wieder bei der rostigen, kleinen Fähre ankommen. Ein Womo hätte grad Platz drauf, mehr aber auch nicht.
Wir sind total verschwitzt und kaputt und retten uns auf der anderen Seite dann in das Café, wo es die besten Torten der gesamten Halbinsel gibt. Bei einem sehr leckeren Stück sammeln wir wieder langsam unsere Kräfte und fragen, ob wir da eine ganze Torte als Mitbringsel kaufen können. Klar, geht das, aber es dauere 30 Minuten, bis die Torte fertig ist. Uns egal, wir haben jetzt sowieso viel zu viel Zeit um den verabredeten Treffpunkt für die Heimfahrt mit Carina aufzusuchen.
Da klappt dann alles perfekt und wir kommen um halb sechs wieder gut bei unserem Knutschi an.
Falls man in der Gegend ist, Carina macht Führungen durch die gesamte Halbinsel und kann gebucht werden, lohnt sich: bearabaoitours.com
Reiseleiterin auf dem äussersten Zipfel von Beara
23.5.2019 - En faszinierenda Bricht vo sportlicha Lüüt. Beschta Dank.
Anna-Töna und Mathias