Das Engadin überrascht uns weiterhin nur positiv.
Lagerfeuer vor dem Womo
In der Nacht schüttet der Himmel Millionen von Regentropfen auf unser Womodach und jeder einzelne erzeugt dieses klopfende Geräusch. Ich liege häufig wach und hoffe einfach, dass wir morgens von der durchnässten Wiese auch wieder weg kommen. Das klappt aber wunderbar, denn wir verlassen den Campingplatz in Scuol Richtung Süden. Unser Programm führt uns heute nach Chapella. Das Wetter ist durchzogen, aber es regnet nun nicht mehr, als wir auf den dortigen Campingplatz einbiegen. Wir sind gespannt, was uns dort erwartet. Viele Infos haben wir nämlich nicht.
Der Campingplatz begrüsst uns mit Sonne und auf der Wiese sieht es sehr friedlich aus. Ein paar Wohnmobile, ein paar Wohnwagen, eine freundliche, kleine Rezeption die nur morgens und abends besetzt ist. Wir machen zu Fuss einen Rundgang bis zum Sanitärgebäude, wo der Platz nun aufhört. Dachten wir zumindest. Ein Solothurner Wohnmobilfahrer sagt uns, wir sollen nur noch den Weg weiter runter laufen, dort unten am Ufer des Inns gebe es noch mehr Stellplätze. Also laufen Anita und ich erstaunt den steilen Feldweg bis nach unten und sehen dann ein kleines Paradies. Eine ebene Wiese direkt am Ufer des Inns, drei momentan verlassene Dauercamperhäuschen und ein einziger Kastenwagen. Dazu Unmengen von Feuerstellen für ein Lagerfeuer. Wir schliessen diesen Ort sofort ins Herz und uns ist klar, dass wir mit unserem Womo da runter müssen. Und jetzt stehen wir am Ufer des Flusses vor einem Lagerfeuer und fühlen uns wie in der Kanadischen Wildnis. Einfach nur toll, dass es auch solche Campingplätze gibt. Hier im unteren Teil gibt es keinen Strom und nichts, dafür Natur pur und direktes Flussufer. Was für ein Traum, als Kinder hier die Ferien zu verbringen! Abends machen wir noch ein Lagerfeuer vor dem Womo, auf welchen Campingplatz darf man das denn schon?
Und der Kindheitstraum geht gleich weiter. Etwa 400m vom Campingplatz oben an der Strasse weg, gibt es die Stalla Chapella. Ein riesiger, alter Engadiner Bauernhof, wo heute Pferde gehalten werden. Und man kann Bogenschiessen! Ist ja klar, dass wir das so nahe am Campingplatz ausprobieren wollen. Anita und ich kriegen einen tollen Bogen und je vier Pfeile. Dann folgt eine 10-minütige Einführung und ein paar Probeschüsse (hey, ich bin fürs Bogenschiessen geboren!) und danach werden wir kurzerhand auf den Parcour geschickt. Zuerst schauen wir etwas dumm aus der Wäsche, aber dann laufen wir mit unserer gefassten Ausrüstung los. Schon stehen wir am ersten Posten und etwa 20m von uns ein schwarzes Wildschwein.
Jetzt heisst es, mit den Pfeilen dieses Wild zu erlegen. Gar nicht so einfach, aber von unseren acht Schüssen treffen immerhin zwei das Ziel und die Wildsau ist erlegt. Gespannt laufen wir weiter und dann kommen Fasane, Adler, Bären, Steinböcke, Wölfe und was weiss ich noch alles, insgesamt 28 Stationen. Es ist genial, Anita und ich freuen uns wie kleine Kinder und sind immer gespannt, was wir als nächstes zwischen den Bäumen treffen müssen. Je länger der Parcours dauert, desto schwieriger wird die Aufgabe. Als wir dann aus etwa 60m einen Bison treffen müssen, brennt mein Indianergeist durch, schade habe ich keinen Federschmuck… Anita staunt, aber ich erlege auch diesen Bison mit einem gezielten Fernschuss und ab jetzt darf man mich Winnetou nennen!
Echt jetzt, Anita und ich erlegen alle Tiere mit unseren acht Schüssen, ausser die Hasen überleben unseren Angriff. Da will einfach kein Pfeil treffen. Die sind auch so klein und schnell... Wir benötigen für den gesamten Parcours rund 3 1/2 Stunden, haben eine riesen Freude und geniessen zwischen den Posten auch die kurzen Fussmärsche durch den schönen, vermoosten Wald. Allerdings verbringen wir auch einige Zeit, um unsere Pfeile wieder zu suchen, wenn wir nicht ganz so haarscharf am Ziel vorbei geschossen haben. Als wir dann fertig sind, müssen wir einen fehlenden Pfeil mit 10 CHF bezahlen, denn einer meiner Pfeile hat der Erdboden verschluckt und er gab ihn einfach nicht mehr her…
Es war so ein genialer Nachmittag, dass wir ihn mit unseren (erwachsenen) Kindern garantiert nochmals machen werden. Und kleinere Kinder dürfen da übrigens auch mitmachen, für eine Familie unbedingt empfehlenswert! Aber noch ein Tipp für diejenigen die nicht gerade schiessen: unbedingt achten, wohin die Pfeile schwirren. Osterhasen suchen ist ein Dreck dagegen…
Bogenschiessen Stalla Chapella